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Von der Episode zur Institution

Von Eva Stanzl

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Zu Beginn der Corona-Krise sah man im Homeoffice etwas Episodenhaftes. Zur Institution geworden, gibt es inzwischen schon Rezepte für den besseren dauerhaften Umgang damit. Eines empfiehlt "Silent Work". Dabei schalten Kollegen sich per Videokonferenz zusammen und haben einander beim Arbeiten im Blick. Die Kamera bleibt an, der Ton ist aus, und jeder macht auf Arbeitsbiene. Theresa Hertwig, Beraterin für mobiles Arbeiten in Deutschland, hat herausgefunden: Schon allein die virtuelle Anwesenheit von Kollegen hebe Output und Konzentration. Denn das Bild täusche Büroleben und pulsierenden Teamgeist vor und aktiviere Gruppenverhalten.

Klingt nach friedlich plätscherndem Betriebsklima. Die Erfahrung aber zeigt: Ungewollt wird der Umgangston der Kollegenschaft rauer. Denn das Stakkato, der unwillkürliche oder notgedrungene Umgangston bei Videokonferenzen, klingt oft schon allein wegen seiner Prägnanz verletzend. Da die gemeinsame Kaffeepause entfällt, ergibt sich keine Gelegenheit für den Austausch von Freundlichkeiten, die vor Corona das Betriebsklima glätteten. So besteht es nur noch als Aufgabe, das Team wird zu einem Sammelsurium aus Einzelkämpfern.

Auch fragt man sich, wie Homeoffice sich langfristig auf das Zusammenleben auswirkt. Verhaltensforscher arbeiten an der Antwort und schließen nicht aus, dass der Partner auf der anderen Tischseite zum "Silent Worker Live" verkommen wird. Ob das die Scheidungsrate steigert oder senkt, sei noch nicht abzusehen.