Kernkraftwerk Zwentendorf: Nun jeden Freitag offen. | Forschungs- und Ausbildungsstätte. | Zwentendorf. Einst teilte es die Bevölkerung und kostete Bruno Kreisky fast das Amt des Bundeskanzlers - heute hat es sich zum Symbol für die Stimmkraft des Volkes etabliert: Das Kernkraftwerk Zwentendorf, mit dessen Bau 1972 begonnen worden war, um es nach der Volksabstimmung 1978 doch nicht in Betrieb zu nehmen. Seinem jahrzehntelangen Dornröschenschlaf wurde nun ein Ende bereitet: Seit der Vorwoche wird es jeden Freitag für die Bevölkerung geöffnet, die somit bei geführten, kostenlosen Rundgängen in dessen Tiefen vordringen kann.
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"Zwentendorf ist nun weltweit das einzige Kernkraftwerk, das man wie ein Museum besichtigen kann", betont Bürgermeiser Hermann Kühtreiber (SPÖ) im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Bisher waren hier ausschließlich vereinzelte Sonderführungen möglich.
Jetzt kann die Öffentlichkeit im Kernkraftwerk Zwentendorf regelmäßig eine Zeitreise antreten und in die Welt der 70er Jahre eintauchen. Denn 95 Prozent des Inventars sind nach wie vor im Originalzustand vorhanden. Bei der Führung vorbei an Kontrollpulten und Monitoren zur Personenstrahlmessung werden zahlreiche Schleusen passiert, um schließlich den Reaktor - das Herz des Kraftwerks - zu erreichen.
"Eigentlich werden einem dabei Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vor Augen geführt", meint Stefan Zach, Sprecher der Eigentümerin EVN, dazu. "Vor fast genau einem Jahr wurde hier nämlich auch eine Photovoltaikanlage in Betrieb genommen, die einem Forschungsprojekt der Technischen Universität Wien dient", erklärt Zach. Mithilfe der Anlage werde getestet, welche Paneelen für die Energiegewinnung in Niederösterreich am geeignetsten sind. Überdies haben die insgesamt 1000 an der Fassade und im Freigelände installierten Solarmodule in einem Jahr rund 180.000 Kilowattstunden Sonnenstrom erzeugt.
Volksschule einquartiert
1,2 Millionen Euro hatte die EVN in die Photovoltaikanlage investiert - die Errichtung und Instandhaltung des Kernkraftwerks bis 1985, als die stille Liquidierung offiziell beschlossen wurde, haben rund eine Milliarde Euro gekostet. Zwentendorf gilt somit als größte Investitionsruine Österreichs.
"Ganz umsonst war die Investition aus heutiger Sicht aber nicht", so Zach. Dient das Kraftwerk doch seit Jahren deutschen Kraftwerksingenieuren, die hier Wartungs- und Montagearbeiten trainieren, als Übungsobjekt.
So wird etwa der Einbau neuer und verbesserter Teile in einem strahlungs- und somit gefahrlosen Umfeld geübt. Außerdem stellt der Siedewasserreaktor einen Ersatzteilspender für fünf baugleiche deutsche Kraftwerke wie jenes in Isar in Niederbayern oder in Philippsburg in Baden-Württemberg dar.
Noch bis Februar 2011 wird auch das Verwaltungsgebäude genutzt. Seit September 2009 ist hier die sportlich kreative Volksschule Zwentendorf einquartiert, deren Schulgebäude derzeit umgebaut wird. Laut Direktor Gerhard Beer zieht sich seit dem Vorjahr das Thema Atomkraft und erneuerbare Energie "naturgemäß wie ein roter Faden durch den Unterricht."
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