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Von der Mehrheit, die keine ist

Von Anja Stegmaier

Politik

Die drei separatistischen Gruppierungen Kataloniens haben eine absolute Mehrheit der Sitze im Parlament errungen - erhielten aber nur 47,5 Prozent der Wählerstimmen und verloren insgesamt zwei Sitze.


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Barcelona/Wien. Sie sollten Klarheit bringen, die Wahlen in Katalonien. Als der spanische Regierungschef Mariano Rajoy angesichts der Unabhängigkeitserklärung im Oktober die Entmachtung der Regionalregierung eingeleitet und Neuwahlen angekündigt hat, spitzte er wohl auch darauf, dass diese ein eindeutiges Ergebnis bringen würde - gegen eine Abspaltung der Region.

Doch die Wähler lieferten der spanischen Regierung ein unerfreuliches Ergebnis - und auch bei den separatistischen Parteien hält sich die Freude in Grenzen. Das Bündnis JxCat (Gemeinsam für Katalonien), die linksnationalistische ERC und die radikalsozialistische CUP kamen zusammen auf 70 der insgesamt 135 Mandate und stellen damit die absolute Mehrheit im Parlament. Stärkste Kraft wurden allerdings die Ciudadanos mit 37 Sitzen. Ein historischer Sieg und auch besonders, weil die Liberalen damit als erste nicht-katalanische Partei an der Spitze stehen.

Rajoys konservativer Partido Popular (PP) wurde abgestraft und errang nur drei Mandate, nachdem er in der vorigen Legislaturperiode noch mit elf Abgeordneten im Regionalparlament vertreten war. Das bedeutet auch eine Destabilisierung des Mitte-rechts-Lagers in Spanien, denn der PP führt eine Minderheitsregierung mit den Ciudadanos in Madrid an. Neuwahlen halten Beobachter vor den nächsten regulären Wahlen 2020 für gut möglich. Insgesamt sind nun sieben Parteien im Regionalparlament vertreten, drei davon traten für ein unabhängiges Katalonien an. Zusammen erhielten diese aber nur 47,5 Prozent der Wählerstimmen.

Für diese paradoxe Mehrheit der Separatisten ist das Wahlrecht verantwortlich. Dieses bevorzugt die Stimmen aus den kleinen Provinzen, wo traditionell für die Unabhängigkeit votiert wird.

Eine Stimme in den Provinzen Tarragona, Lleida oder Girona zählt demnach 2,4 beziehungsweise jeweils 1,6 mal mehr als die eines Wählers in Barcelona. Braucht es etwa in Lleida 20.000 Stimmen für einen Sitz, müssen in Barcelona 50.000 Wähler zusammenkommen. Diese Umverteilung führt immer wieder dazu, dass die Anzahl der gewählten Sitze in den drei kleinen Regionen künstlich erhöht wird - auf Kosten der Partei, die absolut gesehen die meisten Stimmen bekommt.

Diese Pattsituation gab es bereits 1999 und 2003. Die Partit dels Socialistes de Catalunya (PSC) erhielt mehr Stimmen als das Parteienbündnis CiU - aber weniger Sitze im Parlament. Auch bei den Regionalwahlen 2015 erhielten die separatistischen Parteien nur 47,8 Prozent der Stimmen, aber 53 Prozent der Sitze im Parlament und damit die absolute Mehrheit.

An den katalanischen Verhältnissen hat die Wahl somit kaum etwas verändert. Die Region im Nordosten Spaniens bleibt gespalten in zwei annähernd gleich starke Lager: Separatisten und Anhänger des Verbleibs der Region im spanischen Staat. Zur Wahl aufgerufen waren etwa 5,5 Millionen Katalanen. Davon machten rund 83 Prozent von ihrem Recht Gebrauch. Angesichts dieses Rekordwertes erscheint die Spaltung der Gesellschaft noch drastischer.