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Von der Quantität zur Qualität

Von Michael Schmölzer

Europaarchiv

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Die gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) ist ein ausgesprochen komplexes System von Steuerungsmechanismen, bestehend aus Preisstützungsmaßnahmen, Einkommenstransfers, Produktionsbeihilfen bis zu einheitlichen Etikettierungsstandards. Hier einiges zum besseren Verständnis, wie die GAP funktioniert und was Fischlers Reform ändern will.

Direktzahlungen von der Produktion lösen:

Europas landwirtschaftliche Betriebe erzeugen seit Jahrzehnten viel mehr Produkte, als der EU-Markt überhaupt braucht. Der Überschuss, etwa an Milch, Fleisch und Getreide, wird von der EU gekauft und kostspielig eingelagert, oder zu Dumping-Preisen auf den Weltmarkt geworfen. Für die Bauern galt bisher: Je größer die Produktion, desto mehr Einkommen - egal ob die so entstehenden Milchseen und Fleischberge überhaupt gebraucht werden. Durch hohe Außenzölle vor internationaler Konkurrenz geschützt, sammelten sich bereits in den 70-er Jahren und ganz massiv während der 80-er enorme Lebensmittelmengen an, die die EU-Agrarausgaben - alles Steuermittel - ins Uferlose ansteigen ließen. Diese Entwicklung hatte aber auch international große Auswirkungen. Durch die hohe Überschussproduktion in Europa, aber auch in den USA, gerieten die Weltagrarmärkte völlig aus dem Gleichgewicht. Denn die überzähligen Produkte wurden auf den Weltmarkt geworfen, verschärften damit den Wettbewerb auf den Absatzmärkten und ruinierten die Preise. Das sehr zum Nachteil der Nicht-Industriestaaten, für die etwa der Obstexport häufig wichtigste Einnahmequelle ist.

Eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU im Jahr 1992 sollte diesen negativen Tendenzen entgegen wirken. So wurden die Stützungspreise in den Bereichen, wo zu viel erzeugt wurde, verringert und die Kosten der Überschussproduktion teilweise auf die Bauern abgewälzt. Ausgleichszahlungen sollten den Verdienstentgang für die Landwirte wettmachen. Schon damals war man bestrebt, die Überschüsse zu reduzieren und die Bauern nicht nach der erzeugten Menge, sondern durch staatliche Direktzahlungen zu entlohnen. Im Jahr 1999, als die EU die "Agenda 2000" ausarbeitete, wurde die Tendenz von 1992 weiterverfolgt.

Der Fischler-Plan will mit seinen jüngst präsentierten Vorschlägen mit der 40-Jahre alten Tradition der Überschussprämierung endgültig brechen. Die Einkommen für Bauern sollen von der Produktionsmenge entkoppelt und betriebsbezogene Grundgehälter vergeben werden. Der Landwirt soll sein Geld dann bekommen, wenn er vorher bestimmte Standards einhält.

Mehr Ökologie und mehr Marktbezug:

Die Kommission will erreichen, dass die Landwirte nicht umso mehr Geld bekommen, je mehr sie produzieren, sondern dass sich Europas Bauern verstärkt die Interessen der Konsumenten kümmern. Das sind: hochwertige und vor allem sichere Lebensmittel (der BSE-Skandal ist allen noch erinnerlich), eine artgerechte Tierhaltung und die Schaffung einer intakten Umwelt. In Brüssel sieht man hier nicht nur für die Verbraucher, sondern auch für die Landwirte konkrete Vorteile: Diese müssten ihre Produktion nun nicht mehr nach der Höhe der jeweiligen Subvention ausrichten, sondern könnten jene Erzeugnisse produzieren, für die die besten Marktchancen bestehen.

Mit dem Geld, das durch die Kappung der Zahlungen vor allem an Großbetriebe hereinkommt, will die Kommission unter anderem die Entwicklung des ländlichen Raumes finanzieren - also eine intakte Umwelt schaffen. Die EU-Kommission beteuert dabei, dass die Bauern auch künftig angemessen entlohnt werden. Ein Versprechen, das nicht alle Agrarvertreter glauben wollen: So werden in Österreich Einkommenseinbußen von drei Prozent jährlich für die nächste Zeit befürchtet.