![Eine Illustration eines Sanitäters in einer Kriegslandschaft.](https://media.wienerzeitung.at/f/216981/2500x1875/b4d03a9c3c/wz_podcast_arzt_storer.jpg/m/384x288/filters:quality(50))
Kroatien positioniert sich neu, das Verhältnis zu Slowenien bessert sich.
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Zagreb. Wenige Tage vor dem EU-Beitritt Kroatiens ist in Zagreb eine gewisse Aufregung spürbar. In der Hauptstadt sollen am Vortag des 1. Juli die Feierlichkeiten zum Beitritt stattfinden. Dabei hatte es fast den Anschein, als ob den Kroaten nicht nach Feiern zumute ist, der EU-Beitritt schien weder Medien noch Bürger sonderlich zu interessieren.
Diese Passivität gegenüber der EU zeigte sich bei den EU-Parlamentswahlen im April. Nur 20 Prozent der Wahlberechtigten gingen zu den Urnen, und dann ging auch noch eine EU-Skeptikerin als Überraschungssiegerin hervor. Ruza Tomasic machte Stimmung gegen Ausländer - vor allem gegen Serben - und bekam die zweitmeisten Vorzugsstimmen. Kroatien gehöre nur Kroatien, "alle anderen sind Gäste", sagte die Chefin der Rechtspartei HSP AS, die auf der Liste der konservativen und offiziell EU-freundlichen Partei HDZ antrat und alle anderen Kandidaten überholte. Der sozialdemokratische Premier Zoran Milanovic nannte Tomasic "schlimmer als eine Naturkatastrophe". Andere Politiker wie etwa Präsident Ivo Josipovic beschwichtigten und beteuerten, dass es in Kroatien keinen Rechtsruck gebe.
Lücken in der Autobahn
Segel Richtung EU hatte Kroatien gesetzt, als die wirklich rechten Parteikader der HDZ von der politischen Bühne abtraten. Das ging mit dem Tod des Staatsgründers und Autokraten Franjo Tudjman und der Machtübernahme durch eine Mitte-Links-Regierung im Jahr 2000 einher. Das kroatische EU-Schiff in Fahrt brachte jedoch erst Ivo Sanader, der die Führung der HDZ übernahm, 2003 die Wahlen gewann und die Partei mehr nach der Mitte ausrichtete. Sanader, der während seiner Amtszeit auch ein breites und von ihm kontrolliertes Netz aus Korruption und Vetternwirtschaft aufbaute, bekannte sich in der Folge zur Zusammenarbeit mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal. Die Auslieferung mehrerer gesuchter Generäle nach Den Haag machte schließlich den Weg frei für Beitrittsverhandlungen.
Was 2005 unter Sanader begonnen wurde, führte seine Nachfolgerin Jadranka Kosor 2011 mit der Unterzeichnung des Beitrittsvertrags in Brüssel zu Ende. In ihrer kurzen Zeit als Regierungschefin nach Sanaders Rücktritt im Jahr 2009 war der EU-Beitritt ihre wichtigste Agenda. Heute honoriert das keiner: Von der HDZ aus der Partei ausgeschlossen, weil sie die neue Führung kritisiert hatte, wurde sie auch nicht zu den Feierlichkeiten nach Straßburg eingeladen.
Kosor besiegelte auch das Ende des langjährigen Streits zwischen Slowenien und Kroatien um die Bucht von Piran, durch den die Beitrittsverhandlungen mehrmals blockiert wurden. Die Rivalitäten zwischen den ehemaligen Bruderstaaten, vor allem des fortschrittlicheren Sloweniens gegenüber Kroatien, blieben auch den normalen EU-Bürgern und Touristen nicht verborgen: Von Koper nach Istrien und von Ptuj nach Zagreb ist die Autobahn durch eine Landstraße unterbrochen. Der politische Wille, eine schnelle Durchreise durch Slowenien zu ermöglichen, fehlte offensichtlich.
Mit dem Beitritt zur EU dürfte aber auch das bald Geschichte sein, denn beide Strecken liegen auf paneuropäischen Korridoren, die für den Gütertransport wichtig sind. Dass im offenen Europa solche Lücken bestehen bleiben, erscheint unwahrscheinlich.
Kroatien auf Einkaufstour
Slowenien und Kroatien konkurrieren nicht nur um Touristen, wobei das bald 28. EU-Mitglied mit seiner viel größeren Küste im Vorteil ist, sondern auch auf politischer und wirtschaftlicher Ebene. Ob Slowenien die Führung verliert, wird sich zeigen. In Slowenien wurde die Nachricht, dass der größte kroatische Lebensmittelkonzern Agrokor die slowenische Handelskette Mercator, den die slowenische Politik krampfhaft schützte, übernommen hatte, beunruhigt aufgenommen. Ein ähnliches Kunststück gelang dem kroatischen Handelskonzern Atlantic, der 2010 den slowenischen Lebensmittelproduzenten Droga Kolinska übernommen hatte.
Wo Slowenien bei seinem Beitritt in der außenpolitischen Ausrichtung 2004 war, ist Kroatien heute. Damals wollte Slowenien die Brücke zwischen EU und dem Westbalkan bilden, heute sieht sich Kroatien in dieser Rolle gut aufgehoben. Dabei hat das Land selbst ein mitunter schwieriges Verhältnis zu manchen Nachbarn, insbesondere Serbien. Dieses versuchen die beiden Länder nun zu kitten, doch bisher blieb es nur bei Lippenbekenntnissen. So gab es etwa beim Rückzug der gegenseitigen Genozidklagen im Jugoslawien-Krieg so gut wie keine Fortschritte.
Belgrad, das die EU-Beitrittsverhandlungen spätestens im Jänner startet, weiß jetzt jedoch am Beispiel Kroatiens, was auf Serbien zukommt. Kroatien hatte die längsten und anspruchsvollsten Verhandlungen aller EU-Mitglieder bisher.