Wifo und IHS rechnen mit leichter Wirtschaftserholung 2016, Arbeitslosigkeit soll dennoch steigen. Flüchtlinge mit entsprechenden Maßnahmen am Arbeitsmarkt integrierbar.
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Wien. Vom Schneckentempo zum Schildkrötengang. So in etwa könnte man die derzeitige Entwicklung der heimischen Konjunktur beschreiben. Für das kommende Jahr erwartet das Institut für Höhere Studien (IHS) ein Wirtschaftswachstum von 1,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) ist etwas pessimistischer und rechnet mit einem Wachstum von 1,4 Prozent. Für heuer erwarten beide Institute ein Wachstum von 0,7 Prozent nach 0,3 (Wifo) beziehungsweise 0,4 (IHS) im Vorjahr.
"Dass es heuer etwas bergauf geht, verdanken wir dem Osten und dem niedrigen Ölpreis. Aber ein Konjunkturaufschwung sieht anders aus, glauben Sie mir", sagte Wifo-Chef Karl Aiginger bei der Konjunkturpräsentation am Dienstag. Und: Das leichte Wachstum ist nicht genug, um die Arbeitslosigkeit zu senken. Dabei sind sich beide Institute in ihren Vorausschauen einig. Heuer wird nach nationaler Berechnung eine Arbeitslosenrate von 9,2 Prozent zu erwarten sein, im kommenden Jahr könnte sie laut Wifo auf 9,7 und laut IHS auf 9,3 Prozent klettern.
Seit einigen Jahren stagniert der Konsum hierzulande. Das liege daran, dass es in den vergangenen sechs Jahren keine Reallohn- und Gewinnzuwächse gegeben habe, erklärten Aiginger und Helmut Hofer vom IHS. Dennoch soll es bis Jahresende einen leichten Konsumschub geben, weswegen Wifo und IHS mit einem Plus von 0,4 Prozent rechnen.
Das Plus, so der Plan, soll im kommenden Jahr dann dank Steuerreform und Entlastung des Faktors Arbeit deutlich größer ausfallen. Hier erwartet das Wifo Nachfragezuwächse von 1,3 und das IHS sogar 1,5 Prozent des BIP. Trotzdem wird nicht alles Geld, das im Börsel übrig bleibt, direkt in den Konsum wandern. Auch aufgrund der Verunsicherung am Arbeitsmarkt wird die Sparquote voraussichtlich auf knapp zehn Prozent steigen.
Düsteres Investitionsklima
"Aber ohne weitere Reformen geht es nicht. Ich hoffe, die Steuerreform ist die erste von vielen", sagte Hofer. Während Wirtschaft, Konsum und die Inflation (plus 1,5 Prozent) steigen, sinken die Bruttoinvestitionen. Das IHS rechnet mit einem Minus von 0,5 Prozent für das laufende Jahr. Bei den Bauinvestitionen soll es sogar ein Minus von einem Prozent geben. "Die Stimmung bei den Unternehmen ist sehr schlecht", so Hofer. Dementsprechend herrscht auch Zurückhaltung bei den Investitionen. Hier sehen Hofer und Aiginger nun die Politik am Zug und verlangen weiterhin eine Senkung der Lohnnebenkosten und mehr Investitionen in Bildung und Forschung. "In Österreich kann nur Innovation ein Wachstumsmotor sein", so Hofer. Und um diese steht es derzeit schlecht. In allen internationalen Innovationsrankings rutscht Österreich immer weiter ab.
Mehr Arbeitslose erwartet
Trotz des erwarteten Aufschwungs wird die Arbeitslosigkeit auch im kommenden Jahr weiter steigen, und zwar auf 9,3 (IHS) beziehungsweise 9,7 Prozent (Wifo). Nach Eurostat soll die Arbeitslosenrate von 5,8 heuer auf 6 Prozent im kommenden Jahr steigen.
"Wir erleben Jahre des sehr starken Arbeitsangebots", erklärt Aiginger. Die Flüchtlinge nicht eingerechnet seien im Vorjahr rund 73.000 Menschen nach Österreich zugezogen, hauptsächlich aus anderen EU-Ländern. Demgegenüber steht ein Beschäftigungsplus von 0,8 Prozent oder etwa 30.000 Arbeitsplätzen. Das bedeutet also, dass es in Österreich noch nie so viel Beschäftigte und gleichzeitig noch nie so viel Angebot an Arbeitskräften gab.
Flüchtlinge integrierbar
Das Flüchtlingsthema dominiert heuer auch die Prognosenpräsentation beider Forschungsinstitute. "30.000 Menschen sind wohl am Arbeitsmarkt integrierbar", sagte Aiginger. Von den rund 80.000 Menschen, die heuer einen Asylantrag stellen, wird ein Drittel wohl langfristig in Österreich bleiben und arbeiten dürfen. Das stellt naturgemäß auch den Arbeitsmarkt vor Herausforderungen. Denn diese 30.000 werden laut Aiginger und Hofer nur mit rascher und zielgerichteter Unterstützung - etwa Deutschkurse oder Fachkräfteschulungen - einen adäquaten Job finden.
Die Unternehmen stehen einerseits vor einem Überangebot an weniger qualifizierten Arbeitskräften und anderseits vor einem Mangel an Facharbeitern. Wenn man "es geschickt macht", könne man 10.000 Menschen als Facharbeiter und 20.000 in den persönlichen Dienstleistungen unterbringen, so Aiginger, Deutsch und Fachkompetenz vorausgesetzt. Wenn man es "ungeschickt macht, kann man das Sozialsystem zusammenhauen." Kurzfristig gehen beide Ökonomen von einem leichten Anstieg der Arbeitslosigkeit und der staatlichen Ausgaben aufgrund der Flüchtlingskrise aus. Wie hoch, sei schwer vorauszusagen, "denn wir wissen noch immer nicht, wie viele kommen und wie viele bleiben", sagt Margit Schratzenstaller vom Wifo. Angesichts der älter werdenden Bevölkerung und der steigenden Kosten für Sozial- und Pensionssystem wirkt sich Zuwanderung langfristig aber positiv aus. Die Regierung rechnet heuer mit etwa einer Milliarde Euro rund um die Flüchtlingskrise. 400 Millionen davon für die Grundversorgung.
Den öffentlichen Haushalt bringt aber etwas anderes ins Wanken. Die Heta-Abwicklung kostete im Vorjahr deutlich mehr als befürchtet. Das Budgetdefizit stieg deswegen auf 2,7 Prozent - ohne Heta wäre es nur ein Prozent gewesen. Für 2016 wird ein Budget-Defizit nach Maastricht von zwei Prozent erwartet, vorausgesetzt, es werden keine weiteren Bankenhilfen notwendig. Aiginger mahnte auch die Sozialpartner ein, "mehr Druck für öffentliche Reformen" und Einsparungen zu machen. "Sonst bleiben wir auf der Kriechspur."