Bei einer Volksabstimmung über eine Sachfrage sollte auch die notwendige Sachkenntnis sichergestellt werden.
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Im Verteidigungsministerium wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, die jetzt nach einer Arbeitsgruppe für die nächste Reform suchen soll. Der "Bundesheer 2010"-Bericht wurde kurzerhand in "Zilk-Papier" umbenannt, weil es dann doch peinlich wäre, wenn schon der Name jedem aufzeigt, dass es im Bundesheer offensichtlich keine neuen Probleme gibt und somit keine neuen Lösungen geben wird. Und am Qualitätsmerkmal "längst gedienter Verteidigungsminister der EU" wird auch weiterhin gebastelt.
In der Politik ist noch ein wenig mehr los. Man wackelt ein kleines bisschen an Stühlen, stellt auf einmal fest, dass es mehr Alte als Junge in Österreich gibt und ruft nach mehr direkter Demokratie nach Schweizer Vorbild. Dass sich die Regierung vor lauter Zufriedenheit über den Verlauf der Volksabstimmung jetzt zu einem Initiativrecht fürs Volk hinreißen lässt, mag man bezweifeln. Immerhin hat man ja ein Instrument, bei dem selbst Ergebnisse von Suggestivfragen für Landes- oder Bundesregierungen nicht bindend sind, und das zwischen Wahlterminen für "nur" zehn Millionen Euro Steuergeld für Unterhaltung sorgen kann.
Vergleiche zur Schweiz sollte man aber dennoch zumindest für die Zukunft ziehen. Das zeigt sich deutlich, wenn man die vergangene Volksbefragung mit der wahrscheinlich 2015 stattfindenden eidgenössischen Volksinitiative "Ja zur Aufhebung der Wehrpflicht" vergleicht. In der Schweiz ist man sich bewusst, dass eine Abstimmung über eine Sachfrage auch Sachkenntnis benötigt. Die Bürgerinnen und Bürger haben deshalb Anspruch auf gut aufbereitete Informationen seitens der Regierung. Selbst die Vorabinformation des Bundesrates (der schweizerischen Regierung) hat bereits 32 Seiten und legt den Grund der Befragung, die Ziele der Initianten, die ökonomischen und sicherheitspolitischen Auswirkungen und die Regierungsmeinung sowie die Meinungen verschiedenster Interessengruppen dar.
In Österreich brauchte man nur vier Monate Zeit zwischen Entscheid und Befragung. Es musste schnell gehen. Offizielle Abstimmungsinformationen gab es - außer bei der Bundesjugendvertretung und beim Land Salzburg - nirgends. Eine einzige wissenschaftliche Studie wurde zwar Journalisten präsentiert, aber nicht veröffentlicht und - laut Kritikern - während der Überarbeitung zensuriert. Wo in der Schweiz selbst die engagiertesten Armeegegner versuchen, ihre Initiativtexte so zu gestalten, dass die Regierung immer noch einen gewissen Spielraum bei der zeitlichen, inhaltlichen und finanziellen Umsetzung hat, entscheidet man in Österreich scheinbar ultimativ und sofort. Und deshalb muss also die "Reform" noch heuer umgesetzt werden. Dass es dazu im Bundesheer kaum einen Aufschrei gibt, liegt wohl nur an der "Abhärtung" aufgrund von jahrelangen Dauerreformen und dem Wissen, dass auch "ein paar Millionen mehr" kaum einen Unterschied machen werden. Schweizer Mühlen mögen vielleicht langsamer mahlen, aber sie mahlen sachlicher und realistischer.