Die Zahnmedizin ist ein Stiefkind des Gesundheitswesens in Burkina Faso. Ein vor vier Jahren in Ouagadougou gegründetes zahnmedizinisches Zentrum erfreut sich jedoch regen Zulaufs.
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n Mit einer Kapazität für 4.000 Patienten wurden im ersten Jahr 12.000 behandelt. Im Jahr 2003 waren es 40.000. n
n 100 Zahnärzte für zwölf Millionen Einwohner. 80 Prozent der Bevölkerung lebten am Land, Ärzte fast nur in den Städten. n
Doktor Wendpoulomdé Aimé Désiré Kaboré ist überfordert. Vor einigen Jahren hatte der 42-jährige Kieferchirurg eine großartige Idee: Er schlug der Stadtregierung von Ouagadougou die Gründung eines zahnmedizinischen Zentrums vor - ein Plan, der auch prompt angenommen wurde. Am 8. Mai 2000 wurde in einem Elendsviertel im Herzen von Ouagadougou das erste städtische Zentrum für Mund- und Zahnheilkunde eröffnet. Eine Premiere in einem Land, in dem zahnmedizinische Einrichtungen Seltenheitswert haben. Die Zahnklinik des Dr. Kaboré besteht aus einer Abteilung für Mund- und Zahnheilkunde, einer Ambulanz und einem Labor für medizinische Analysen.
Seit vier Jahren erfreut sich das Zentrum regen Zulaufs. Jeden Morgen, wenn Dr. Kaboré und seine Mitarbeiter in die Klinik kommen, wartet bereits eine Menschenschlange auf sie. Die Zahl der Patienten ist von Jahr zu Jahr kontinuierlich gestiegen.
Völlig überlaufen
Eine Durchführbarkeitsstudie sah für das erste Jahr eine Kapazität von 4000 Patienten vor, doch das zahnmedizinische Zentrum nahm in diesem Zeitraum dreimal soviel Patienten auf, also insgesamt 12.000. Dazu meint Kaboré nicht ohne Stolz: "Im zweiten Jahr hatten wir 28.000 Patienten und letztes Jahr um die 40.000". Diese Entwicklung ist auf den eklatanten Mangel an zahnmedizinischen Einrichtungen und die relativ günstigen Preise der angebotenen zahnärztlichen Leistungen zurückzuführen. Die Untersuchungen sind für Schüler, Studenten und ältere Personen gratis. Die anderen Patienten zahlen mit umgerechnet 1,50 Euro pro Behandlung weniger als die Hälfte als im öffentlichen Krankenhaus (3,20 Euro) und nur knapp ein Fünftel des in den Privatkliniken veranschlagten Preises (8 Euro).
Für Kaboré spiegelt die große Nachfrage das Ausmaß des Problems wider. "Das Zentrum ist nicht mehr in der Lage, für alle Patienten zu sorgen. Ich frage mich, wo all diese Menschen früher hingegangen sind, als es das Zentrum noch nicht gab".
Zahnarztbesuch kein Thema
Doch das ist nur ein Aspekt des Problems. Die Mediziner in Burkina Faso sind sich darüber einig, dass Zahnarztbesuche für die Mehrheit der Bevölkerung kein Thema sind. Das hat mehrere Gründe. Zum einen sind spezialisierte Einrichtungen selten und sind aufgrund ihrer Entfernung oft nur schwer zu erreichen. Zum anderen lässt die Armut (45 Prozent der Burkiner müssen mit einem Dollar am Tag auskommen) zahnmedizinische Behandlungen als puren Luxus erscheinen. Außerdem haben die wenigsten eine Sozialversicherung, die für Kosten dieser Art aufkommt. Der Zahnarztbesuch ist deshalb stets das letzte Mittel. "Die Leute kommen meistens erst, wenn sie anhaltende Schmerzen haben", erzählt Kaboré, der am 13. Mai dieses Jahres an der medizinischen Fakultät der Universität von Ouagadougou seine Doktorarbeit über die Rolle der Zahnmedizin in Ouagadougou vorgestellt hat.
Stiefkind des Gesundheitssystems
In Wahrheit ist die Zahnmedizin das Stiefkind des Gesundheitssystems in Burkina Faso. Der Staat widmet ihr weniger als ein Prozent des Gesundheitsbudgets. Außerdem gibt es nur wenige Spezialisten auf diesem Gebiet. Die medizinische Fakultät der Universität von Ouagadougou, die 1980 gegründet wurde, bildet noch keine Kieferchirurgen aus. In Burkina Faso gibt es für zwölf Millionen Einwohner rund 60 Kieferchirurgen, das sind im Schnitt einen Kieferchirurgen für 200.000 Einwohner. Im Gegensatz dazu hat das Land immerhin ungefähr hundert Zahnmediziner.
Auf Großstädte konzentriert
Doch die Zahnärzte sind nicht nur rar, sondern auch sehr schlecht verteilt. Während mehr als 80 Prozent der Bevölkerung im ländlichen Raum lebt, befinden sich die Zahnmediziner fast ausnahmslos in den Ballungszentren. 50 Prozent der Kieferchirurgen des Landes haben ihre Ordination in den beiden Großstädten Ouagadougou und Bobo-Dioulasso und überlassen die Bevölkerung am Land somit ihrem Schicksal. Eine Situation, die Kaboré nicht hinnehmen wollte.
Im Jahr vor der Gründung seines zahnmedizinischen Zentrums ist er mit einer mobilen Praxis durch das Land gezogen, um den Menschen in den Dörfern den Zugang zur Zahnmedizin zu vereinfachen.
"In acht Monaten hatte ich mehr als 80.000 Patienten, das sind zirka 80 pro Tag."
Kaboré ist der Ansicht, dass der Staat mutige Maßnahmen durchführen muss, um dieser Situation Einhalt zu gebieten. "Der Staat muss jene begünstigen, die aufs Land gehen. Nur so kann auch der ländlichen Bevölkerung ein uneingeschränkter Zugang zur medizinischen Versorgung ermöglicht werden."
Afrikanisches Problem
Diese Situation ist aber keine Eigenheit Burkina Fasos, sie stellt in ganz Afrika ein Problem dar. Ende April haben die WHO und die Weltzahnärzteorganisation in Nairobi (Kenia) unter Teilnahme der afrikanischen Gesundheitsminister eine Konferenz zum Thema Zahnmedizin abgehalten, um die staatlichen Behörden auf die Notwendigkeit eines Umdenkens in Sachen Zahn- und Mundhygiene aufmerksam zu machen.
In Burkina Faso gibt es bereits seit Jahren ein nationales zahnmedizinisches Programm, das bereits mehrmals überarbeitet wurde, aber immer noch darauf wartet, zumindest ansatzweise umgesetzt zu werden.
Koura Bagassi ist Westafrika-Korrespondent von Radio Afrika International mit Sitz in Burkina Faso