Reformen von 2003 und 2004 sollen Pensionen für die Jungen sichern. | 2007 wird überprüft, ob Anpassungen nötig sind. | EU kritisiert mangelnde Eigenvorsorge. | Wien. Europa steht sozialpolitisch vor einer großen Herausforderung. Die demografische Entwicklung - die Zahl der Geburten geht zurück, die Lebenserwartung steigt - setzt unsere Sozialsysteme unter Druck. Als Folge davon werden diese durchleuchtet und Pensions- und Gesundheitssysteme auf eine neue ökonomische Basis gestellt.
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Die Pensionsreformen 2003 und 2004 waren ein Versuch, die staatlichen Pensionen auch für die Jungen sicher zu stellen. Die schon seit Jahren hinter vorgehaltener Hand verkündete Weisheit, dass die Lebensarbeitszeit verlängert werden muss, wenn sich gleichzeitig das Lebensalter erhöht, wurde damit zur Gewissheit. Zwar hat man am gesetzlichen Pensionsantrittsalter von 65 Jahren für Männer - außer für Beamte, die ja bisher mit 60 Jahren in Pension gehen konnten - nichts geändert, allerdings wird das Antrittsalter für Frauen ab 2019 an jenes der Männer schrittweise angepasst. Die Frage ist, ob damit das Pensionssystem auf absehbare Zeit gesichert ist.
Im Jahr 2001 gehörten fünf der insgesamt acht Millionen Menschen in Österreich der "erwerbsfähigen" Altersgruppe zwischen 15 und 60 Jahren an. 1,7 Millionen Menschen waren älter als 60 Jahre. Im Jahr 2041 wird sich die mittlere Altersgruppe mit jener der älteren und jüngeren zusammengenommen bereits die Waage halten: Dann sind nur noch 4,4 Millionen Österreicher zwischen 15 und 60 Jahre alt, 2,8 Millionen werden älter sein. Bereits mit dem Eintritt der Babyboomer in die Pension ab 2020 beginnen sich für die Pensionsversicherungen daher ernsthafte finanzielle Probleme aufzutun. Allerdings gilt auch, dass angesagte Katastrophen selten eintreten. So hat sich die demografische Entwicklung in der Vergangenheit nicht in dem Ausmaß bewahrheitet wie angesagt.
Wirtschaftsforscher Alois Guger findet denn auch, dass die demografische Entwicklung bei weitem übertrieben werde. Sie werde als "Faktor" eingesetzt, um Reformen voranzutreiben und Druck zu machen. Dennoch musste und muss die Politik reagieren, sollen auch künftige Generationen eine gesicherte Pension erhalten.
Diskussion um Pensionsalter hält an
Für Sozialforscher Bernd Marin müsste das Pensionsalter alle zehn Jahre um ein Jahr angehoben werden. Wenn sich die Lebenszeit verlängere, müsse eben ein Teil davon in Arbeit gelebt werden. Grundsätzlich ist Marin aber der Meinung, dass die Menschen freier über ihr Pensionsalter entscheiden können sollten: Jemand, der schon mit 55 genügend Ansprüche auf eine Mindestpension gesammelt hat, sollte sich aus dem Erwerbsleben zurückziehen können. Ebenso müsste es jedem frei stehen, so lange zu arbeiten, wie er will. "Wenn das in Verbindung mit einer Pensionsverfassung gemacht wird, die Beitragsgerechtigkeit und sozialen Ausgleich vorsieht, werden auch unsere Urenkel noch eine ordentliche Pension erhalten", ist Marin überzeugt.
Pensionsexperte Theodor Tomandl verweist dagegen darauf, dass laut Gesetz alle drei Jahre überprüft werden muss, ob die Annahmen über eine künftige Entwicklung der wichtigsten Parameter für die Finanzierung der Pensionsversicherung noch stimmen. Erstmals wird sich eine Kommission im nächsten Jahr damit befassen, überprüft wird im Drei-Jahres-Rhythmus. Ist mit Mehrausgaben zu rechnen, dann hat die Kommission einen Bedeckungsvorschlag vorzulegen.
Dabei ist vorgegeben, dass die erforderlichen Maßnahmen gleichmäßig auf den Beitragssatz, den Bundesbeitrag, die Pensionsformel, das Pensionsantrittsalter und die Pensionsanpassung aufzuteilen sind. Dieser Vorschlag geht dann an das Parlament, das somit alle drei Jahre "die nötigen Schritte setzen kann, um die finanzielle Stabilität zu sichern", sagt Tomandl. Wenn das geschehe, genügten Feinabstimmungen, werde der Gesetzgeber aber säumig, werde das Problem aufgeschoben.
Keine großen Änderungen geplant
Im Wie unterscheiden sich die beiden Großparteien ÖVP und SPÖ. Aber so groß die Kritik der SPÖ an den beiden schwarz-blauen Pensionsreformen auch war - man erinnere sich an den Streik im Jahr 2003 -, wird an den Eckpfeilern auch bei einer SPÖ-Mehrheit nach dem 1. Oktober nichts geändert werden.
Retouchen will die SPÖ aber vornehmen. Etwa, dass der Grundsatz "Pensionsantritt nach 40 (Frauen) oder 45 (Männer) Jahren ohne Abschläge" gelten soll. Auch verlangt die SPÖ vor allem Nachbesserungen für Frauen: bessere Bewertung der Ersatzzeiten und Anrechnung der Teilzeit als Vollarbeitszeit.
Am geltenden Umlageverfahren, das auf dem Generationenvertrag aufbaut, wird aber weder von ÖVP, noch von SPÖ gerüttelt: Die heute Erwerbstätigen bezahlen durch ihre Pensionsbeiträge die Renten für die Pensionisten. Da auch jetzt schon die einbezahlten Beiträge die geleisteten Pensionen nicht abdecken, springen die Steuerzahler ein, Bundeszuschuss genannt. Im Vorjahr hat der Staat zu den ASVG-Pensionen und zu den Beamten-Pensionen je 5,8 Milliarden Euro zugeschossen. (Entwicklung der Bundeszuschüsse siehe Grafik unten)
Eigenvorsorge wird zunehmend stärker
Die EU-Kommission kritisiert die Dominanz der staatlichen Pension. Darin sieht sie auch den Grund für die hohen Bundeszuschüsse. Brüssel rät daher, betriebliche und private Vorsorge stärker auszubauen. Derzeit ist in Österreich nur ein Kapitalvolumen von 12 Prozent des BIP in der betrieblichen Vorsorge hinterlegt. Der EU-Schnitt liegt bei 29,2 Prozent. Spitzenreiter sind die Niederlande mit 111 Prozent des BIP in betrieblichen Vorsorgekassen und Großbritannien mit knapp 81 Prozent. Weniger als 10 Prozent der Österreicher beziehen eine private Pension. In Großbritannien sind das 71 Prozent, in den Niederlanden 83 Prozent. Aber auch in Österreich ist ein neuer Trend bemerkbar: Heute schließen Eltern oft schon für ihre Kinder Vorsorgen ab.
Ein Grund, warum die Österreicher die Eigenvorsorge so vernachlässigt haben, mag in unserem alten Pensionssystem begründet sein, das darauf ausgerichtet war, den Lebensstandard abzusichern. Einen ersten Schritt in Richtung zweiter Säule hat die Regierung Schüssel I mit der so genannten Abfertigung Neu getan, die dritte Säule wird durch ein steuerliches Anreizsystem gefördert.