Berlin - Mit der von den USA demonstrierten Härte auf der NATO-Konferenz in Warschau hat der deutsch-amerikanische Streit über die Irak-Strategie eine neue Wende genommen. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ignorierte seinen deutschen Kollegen Peter Struck, wo er nur konnte, ohne dieses zuzugeben. In einem mokanten Artikel über die eigene Regierung ist in der "New York Times" (Mittwochausgabe) von "pubertären Foltermethoden" die Rede.
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Rumsfeld hatte sich schon vorher vernehmen lassen, der Wahlkampf von Bundeskanzler Gerhard Schröder sei "nicht besonders hilfreich" gewesen. Er fügte hinzu: "Er hatte, wie das Weiße Haus erklärte, die Wirkung, Beziehungen zu vergiften". Rumsfeld griff damit eine Bemerkung der Sicherheitsberaterin von Präsident George W. Bush, Condoleezza Rice, auf. Schröders Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye sagte dazu in Berlin: "Ich denke, diejenigen, die das so empfinden, sollten darüber nachdenken, ob das eine glückliche Bemerkung war."
Rumsfeld verließ den Saal, als Struck beim Essen der NATO-Verteidigungsminister das Wort ergriff. Aber er sagte, ein Affront sei damit nicht beabsichtigt gewesen. Seiner Meinung habe Struck nämlich schon gesprochen. Was aber schlicht nicht stimmt, wie hohe NATO-Beamte sagten, die dabei waren.
Wie eine Ausrede wirkte Rumsfelds Hinweis, Struck habe am Dienstag seinerseits entschieden, nicht an der Unterrichtung durch CIA-Vizedirektor John McLaughlin über Irak teilzunehmen. In diesem Fall werde ja auch nicht gleich beleidigende Absicht unterstellt. Struck hatte die Warschauer NATO-Konferenz für einige Stunden verlassen, um an der konstituierenden Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin teilnehmen zu können. Struck schaffte es in Warschau aber tatsächlich, bei einem Empfang dem mächtigen Amerikaner die Hand zu geben. Aber erst, nachdem er Rumsfeld förmlich nachgelaufen war, wie die "Los Angeles Times" aus Warschau meldete.
In der US-Presse spiegelt sich oft die Meinung der Regierung wieder, wonach der schlimmste Ausrutscher auf Seiten der Deutschen der Vergleich zwischen Hitler und Bush gewesen sei, den die scheidende Justizministerin Herta Däubler-Gmelin gezogen haben soll. "Es wird geduldig daran gearbeitet, eingetretene denkbare Verstimmungen wieder abzubauen", erklärte Heye später. In geringfügigen Variationen wiederholte er den Satz in Berlin wie ein Mantra.
Die "New York Times" befand unterdessen: "Schröder verhielt sich wie ein gutes Beta-Tier, der sich mit den amerikanischen Alphas gut stellen will, und er feuerte seine peinlichen Freunde wie die Justizministerin und den Fraktionsvorsitzenden (Ludwig Stiegler), der W. (gemeint: George W. Bush) mit Augustus verglich, dem römischen Kaiser, der germanische Stämme unterjochte."
Und dann stellte das Blatt frech die Frage, ob die "Bush-Falken" etwa die Lehren der Geschichte vergessen hätten: "Wollen wir wirklich die Deutschen dafür bestrafen, dass sie Pazifisten sind? Wenn diese Typen erst in die andere Richtung rollen, dann vergessen sie doch, wo die Bremse ist," hieß es.
Struck bot schon an, bei der ISAF-Friedenstruppe in Afghanistan die Führung zu übernehmen, bemerkte die US-Presse. Und Außenminister Joschka Fischer habe sich schon bei seinem Washingtoner Kollegen Colin Powell telefonisch entschuldigt. Dennoch, Schröder müsse wohl noch eine Weile am Schandpfahl stehen, hieß es. Die "New York Times" fügte hintergründig hinzu: "Und den ständigen Sitz im Sicherheitsrat kann er sich abschminken. Und von der Speisekarte des Weißen Hauses wird die Bratwurst gestrichen."