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Von der SPÖ zu Tode umarmt

Von Simon Rosner

Politik

Die FPÖ erfüllte Doskozil alle Wünsche. Der lobte seinen Koalitionspartner - und räumte ihn ab.


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Bei den ersten Hochrechnungen aus dem Burgenland waren die Gesichter in der FPÖ-Zentrale deutlich länger als der blaue Balken. Er blieb vor der Zehn-Prozent-Marke stehen, ein Minus von mehr als fünf Punkten, und die Regierungsbeteiligung: auch futsch. Eine Stunde später trat Landesparteiobmann Johann Tschürtz vor die TV-Kamera: "Ich bin zufrieden", sagte er, und: "Wir haben uns stabilisiert."

Der Euphemismus gehört zur wahlabendlichen Folklore. Politiker verhalten sich da nicht anders als Fußballer, die nach einer bitteren Niederlage beim Interview auch eher nicht zur sachlichen Selbstreflexion neigen. "Wir haben österreichweit überall ein Drittel verloren, so einen Bundestrend kann man nicht aufhalten", sagte Tschürtz im ORF-Studio. Gleich neben dem FPÖ-Chef stand die empirische Gegenthese in Person von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Bundestrend? Egal. Plus 8 Prozentpunkte und die Absolute.

Selbstverständlich, so Tschürtz, habe Ibiza eine Rolle gespielt. "Keine Frage!" Hier ist dem FPÖ-Chef nicht zu widersprechen. Und doch gibt es einen bemerkenswerten Unterschied zu den bisherigen Wahlergebnissen in der postbalearischen Ära der Freiheitlichen Partei. Laut Wählerstromanalyse von Sora sind nur ganz wenige FPÖ-Wähler daheim geblieben. Das war in Vorarlberg, der Steiermark und bei den Nationalratswahlen noch ganz anders, als ein Fünftel bis sogar ein Viertel der blauen Wähler zu Nichtwählern wurden.

Die FPÖ gerät in die Doppelmühle

Ein Gutteil war bei diesen Wahlen auch zur ÖVP gewechselt, auch das war im Burgenland anders. Wobei dieses Faktum weit weniger überraschend war, da Rot und Blau friktionsfrei gemeinsam regierten und die Burgenländer mit der Arbeit der Landesregierung grundsätzlich zufrieden waren.

Doskozil nutzte Ibiza auch für ein Manöver, das sich, wie man nun weiß, bezahlt machte. Er verlegte die Wahl um ein paar Monate nach vorne, und er schlug der gebeutelten FPÖ ein explizites Sozialprogramm vor, das diese nicht ablehnen konnte (Mindestlohn, Pflegekonzept, Gratis-Kindergarten). Der SPÖ-Chef lobte den Koalitionspartner zwar für diese Bereitschaft. "Welche Partei macht so etwas?", fragte er etwa im Interview mit der "Wiener Zeitung". Es war aber eine Doppelmühle für die FPÖ. Den Koalitionsdeal abzulehnen, hätte ihnen auch geschadet. Sie stimmten also zu - und verloren 37 Prozent ihrer Wähler an die SPÖ.

"Es war der erste Wahlkampf der FPÖ, den sie nicht gegen die SPÖ geführt hat", sagt Günther Ogris vom Meinungsforschungsinstitut Sora. "Sie wollten weiterregieren." Das wollten übrigens laut Wahltagsbefragung auch viele blaue Wähler, und es wäre wohl auch die erste Wahl Doskozils gewesen, hätte er eine Koalition bilden müssen. Vielleicht also hat die burgenländische Landesgruppe gar nicht so viel falsch gemacht, sondern einfach ein bisschen Pech gehabt. Ein paar rote Stimmen weniger, und die SPÖ hätte einen Partner gebraucht.

In der Stunde der Enttäuschung meldete sich ein ehemaliger Weggefährte zu Wort, nämlich Heinz-Christian Strache. Unter Jörg Haider war die FPÖ 1987 nach längerer Pause wieder in den Landtag eingezogen, kam neun Jahre später auf 14,5 Prozent, ehe unter Schwarz-Blau I wie auch anderswo in Österreich der Absturz kam. Mit Übernahme von Strache und der Installierung von Tschürtz an der Parteispitze folgte ein erneuter Aufstieg bis über die 15 Prozent. Der ehemalige Polizist und zuletzt Landeshauptmann-Stellvertreter war Strache auch stets sehr eng verbunden. Er urlaubte sogar mit dem Bundesparteichef - und zwar auch im Jahr 2017 auf Ibiza.

Strache nutzt FPÖ-Niederlage für Abrechnung auf Twitter

Interessant war auch, dass Strache bei seinem jüngsten Auftritt bei seiner Vielleicht-bald-Partei DAÖ Tschürtz bei seinem verbalen Ritt gegen die FPÖ ausnahm, am Sonntag schrieb er auf Twitter: "Unter Norbert Hofer und Co. nimmt die FPÖ Kurs in Richtung Irrelevanz und verliert, was ich einst hinzugewinnen konnte. Was geht zuerst aus? Die Wähler oder die Ausreden? Für Johann Tschürtz tut es mir leid, das hat er nicht verdient." Der von Strache angesprochene Hofer antwortete darauf mit einem Foto, das den langjährigen Parteichef in seiner Filmrolle als "Red-Bull-Brother" (© Strache) auf Ibiza zeigt, und Hofer kommentierte: "Besten Dank."

Gerüchte des Wahlabends, dass sich die nun koalitionsbefreiten burgenländischen Freiheitlichen dem DAÖ anschließen könnten, wurden schnell dementiert, und zwar auch recht klar und deutlich. Wie es im Burgenland aber nun weitergeht, ist offen. Den Montag machen die Freiheitlichen traditionell "blau", erst am Dienstag treten die Gremien zusammen. Im Frühjahr findet der Landesparteitag statt, ob Tschürtz dort noch einmal kandidiert, ließ er am Sonntag offen. "Eine Verjüngung der Partei ist notwendig", sagte er im ORF.

Mit dem Ausscheiden aus der Regierung sind die burgenländischen Blauen mit einem Schlag bundespolitisch mehr oder weniger irrelevant geworden. Das war bisher anders. Diese rot-blaue Liaison war für die einen eine Irritation, für andere ein interessantes Experiment, da die SPÖ mit der FPÖ sozialpolitisch mehr verbindet als mit der ÖVP. Nun hat die FPÖ aber die Erfahrung gemacht, dass sie von einem Koalitionspartner auch zu Tode umarmt werden kann. Das könnte für die Bundespartei eine wichtige Erkenntnis sein. Vorerst hat sie freilich ein anderes Problem zu lösen. Und bei diesem geht es nicht um eine Umarmung. Oder wenn, dann eher Marke Schwitzkasten.