Nach knapp vierjähriger Renovierung ist das Josephinum, Wiens medizinhistorisches Museum, wieder für Publikum zugänglich.
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Es begann im Hochsommer mit einem Anruf. "Es ist so heiß bei uns, die Wachsmodelle schmelzen", informierte Christiane Druml, Direktorin der historischen medizinischen Sammlung Josephinum mit ihren weltberühmten anatomischen Modellen, Markus Müller, den Rektor der Medizinischen Universität Wien. Nun wurde das Gebäude in den vergangenen vier Jahren saniert. Am 29. September öffnet das Josephinum wieder seine Pforten.
Das Palais im neunten Wiener Gemeindebezirk wurde 1785 nach Plänen von Hofarchitekt Isidor Canevale fertiggestellt und diente der Ausbildung von Ärzten für die Armee. Es ist neben der Nationalbibliothek der einzige Repräsentativbau, der auf Joseph II. zurückgeht, und gilt als das bedeutendste Beispiel klassizistischer Architektur in Wien. Heute ist hier das Institut für Geschichte der Medizinuni Wien untergebracht. Die Bundesimmobiliengesellschaft verantwortet die Sanierung durch das Grazer Büro eep Architekten. Auf 1.000 Quadratmetern beherbergt das Josephinum eine neue medizinhistorische Ausstellung, die den Bogen von der Gründungszeit bis zur Hightech-Medizin spannt.
Joseph II. hatte rund 1.200 anatomische, in Florenz gefertigte Wachsmodelle angekauft. Die Schauobjekte gaben angehenden Ärzten einen praktischen Einblick in den Körper. Die Modelle sind nun gereinigt und wieder in historischer Aufstellung in ihren Originalvitrinen aus Rosenholz und mundgeblasenem, venezianischem Glas zu sehen. "Für mich als Rechtshistoriker ist das Josephinum kein reines Museum, sondern ein beeindruckender Ort, der Zeugnis darüber gibt, dass es hier über viele Jahre eine wichtige medizinische Schule gab", sagte Wissenschaftsminister Martin Polaschek am Dienstag anlässlich der Neueröffnung vor Journalisten. Weitere Highlights sind die chirurgische Instrumentensammlung von Alessandro Giovanni Brambilla aus dem 18. Jahrhundert, das erste Endoskop der Welt aus 1806, ein handgeschriebener Lebenslauf von Sigmund Freud oder die Feile, mit der Kaiserin Elisabeth in Genf ermordet wurde.
Kurator Niko Wahl und sein Team haben ein neues Museumskonzept entwickelt, das das universitäre Sammlungsdepot mit einer wandelbaren Ausstellungsfläche vereint. Zu sehen sind Exponate und Archiv im gleichen Raum, wodurch auch Platzprobleme gelöst seien, sagte Wahl beim Rundgang. Weiters werden sowohl aktuelle bioethische Debatten als auch medizinische Verbrechen des Nationalsozialismus thematisiert. "Charakter ist kein Luxus, sondern ein wesentliches Attribut eines Arztes. Wir thematisieren das, indem wir die Geschichte des Spiegelgrunds zeigen", sagte Museumsdirektorin Druml, Chefin der Bioethik-Kommission. Dieser Teil der Schau spricht die Vorstellungskraft an: Da die sterblichen Überreste der Opfer der NS-Kindereuthanasie in jüngerer Zeit bestattet wurden, werden leere Gläser, in denen sie gelagert waren, mit Namen und Daten versehen, gezeigt.
Der josephinische Repräsentationsbau kann wieder zentral über den Haupteingang betreten werden, frühere Bausünden wurden rückgebaut. Dabei wurde der historische, über zwei Stockwerke reichende Hörsaal, der in den 1940er Jahren mit einer Zwischendecke unterteilt wurde, wieder hergestellt. Bei der Entfernung der Decke wurden Original-Wandmalereien aus 1785 freigelegt. Der halbrunde, neun Meter hohe Hörsaal soll für Veranstaltungen genützt werden. Die Bundesimmobiliengesellschaft hat elf Millionen Euro aus Gewinnen und Mieten in die Sanierung investiert. Freilich gibt es jetzt eine Klimaanlage.(est)