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Von der Weltbank ins kleine Gaza

Von Hans Dahne, Washington

Wirtschaft

Zehn Jahre lang bekämpfte der scheidende Weltbankpräsident James Wolfensohn (71) Armut und Korruption auf der ganzen Welt. Zum 1. Juni wechselt der gebürtige Australier mit US- Pass nun von der Vorstandsetage des weltweit größten Kreditgebers für Entwicklungsprojekte in Washington in eines der Armenhäuser der Welt, den palästinensischen Gazastreifen.


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Nach dem Abzug von rund 8.000 israelischen Siedlern aus dem schmalen und überbevölkerten Küstenstreifen am Mittelmeer, der nicht viel größer als Wien ist, soll der ehemalige Weltbankpräsident dort ein nahöstliches Wirtschaftswunder schaffen. Befristet bis zum Jahresende will Wolfensohn als internationaler Sondergesandter des Nahost-Quartetts die am Boden liegende palästinensische Wirtschaft mit einer Geldspritze aus internationalen Hilfsmitteln zuerst einmal auf die Beine bringen.

Nach einer fünftägigen Stippvisite in der Region ließ der Banker die Palästinenserführung schon wissen, dass sie ihre Finanzen in Ordnung bringen und die Ausgaben transparent gestalten müsse, damit wieder mehr internationale Hilfe fließt. Zugleich appellierte er an die Geberländer, den Palästinensern mit verbindlichen Zusagen etwas Planungssicherheit geben.

Wolfensohn will innerhalb eines Monats einen Wirtschaftsplan aufstellen. Im Gespräch mit Israels Vizepräsidenten Shimon Peres riss der neue Sondergesandte bereits Details an wie die schnellere Grenzabfertigung palästinensischer Güter, Hilfen für die palästinensische Landwirtschaft und die Schaffung von Jobs in neuen Industriezonen.

Ein weiteres Problem: Ähnliche Plünderungen wie nach dem Sturz des irakischen Staatschefs Saddam Hussein sollen nach dem israelischen Abzug im Keim erstickt werden. Nach ersten Gesprächen mit der Palästinenserführung lobte Wolfensohn deren Kooperationsbereitschaft und "beeindruckende Pläne".

Bei der Weltbank in Washington geht mit dem Ausscheiden von Wolfensohn eine Ära zu Ende. Wolfensohns wichtigster Beitrag sei gewesen, den Auftrag der Bank klarzustellen, nämlich Wachstum zu fördern und Armut auszurotten, sagt deren Chefvolkswirt Joseph Stiglitz. Wolfensohn sei weniger als Widersacher wahrgenommen worden, der die westliche Wirtschaftsordnung oder Ideologie fördern wollte. Auch sene Kampagne gegen die Korruption habe einen bedeutsamen Wechsel im Denken markiert, schreibt Stiglitz.

Unter Wolfensohn förderte die Weltbank auch humanitäre Projekte wie Bildung, Behindertenfürsorge sowie Aids-Prävention. Rückblickend bedauert der scheidende Präsident, dass die wichtigsten Politiker der Welt während seiner ersten Amtszeit die Auswirkungen von Aids nicht vorausgesehen hätten. Und: Weltbankpräsidenten sollten künftig aus einer größeren Zahl von Bewerbern transparent gewählt werden. dpa