Autobauer hoffen, dass es auch in Europa ab 2014 wieder aufwärts geht.
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Frankfurt. Jammern? Kommt gar nicht infrage! Zwar wird "2013 das schlechteste Autojahr der letzten 30 Jahre in West-Europa, in Deutschland werden so wenige Neuwagen verkauft wie seit 1989 nicht mehr", wie "Autoprofessor" Ferdinand Dudenhöffer vom deutschen CAR-Center Automotive Research der Uni Duisburg/Essen prognostiziert. Aber bei der "automobilsten Show der Welt", der Frankfurter IAA, die ab Samstag nach vier Fachbesuchertagen die Tore fürs Publikum öffnet, heißt das Moto der Autobranche trotzdem wieder "Protz und Glitzer".
"Mit dem Elektroauto wird es wohl erst etwas, wenn sich die großen deutschen Hersteller des Themas stärker annehmen", soll Renault-Nissan-Chef und E-Antrieb-Pionier Carlos Ghosn vor einem Jahr angesichts relativ bescheidener Verkaufserfolge eingeräumt haben.
Nun, jetzt sind sie da. Europas größter Autobauer Volkswagen stellt in Frankfurt - neben einer Reihe von Hybrid-Versionen von Supersportwagen der Tochter Porsche - zwei vollelektrische Massenmodelle in den Mittelpunkt seiner "elektrisierenden Präsentation", den Bestseller Golf und den Kleinwagen Up. "Wir treten hier nicht mit zwei oder drei Nischenmodellen an. Wir haben die Elektromobilität in die Mitte des Konzerns geholt", sagt VW-Chef Martin Winterkorn.
Und BMW betritt mit dem Elektro-Kompaktwagen i3 nicht nur beim Antrieb,, sondern auch mit der Carbon-Karosserie technologisches Neuland. "Elektromobilität ist keine Vision mehr, die E-Autos kommen jetzt auf die Straße", sagt der Präsident des Automobilverbands VDA, Matthias Wissmann. Sechzehn Modelle mit Batterie- oder Hybrid-Antrieb kommen in Deutschland 2014 auf den Markt. Ob ihre Verkaufszahlen in der Zulassungsstatistik im Gegensatz zu bisher - derzeit ist nur eines von 500 neuen Autos ein "Stromer" - merkbare Spuren hinterlassen werden? Zu teuer, zu geringe Reichweite und zu wenige Strom-Tankstellen, das sind immer noch die größten Hürden. Die Prognosen sind vorsichtiger geworden: Volkmar Denner, Chef des weltgrößten Zulieferers Bosch, erwartet, dass bis 2020 weltweit insgesamt zwölf Millionen Elektrofahrzeuge verkauft sein werden - bei 90 Millionen Neuzulassungen im Jahr. "Erst danach zeichnet sich eine stärkere Zunahme ab." "2020 kann ich mir durchaus vorstellen, dass wir drei Prozent Elektroauto-Anteil im Konzern haben werden", sagt VW-Vorstand Dieter Pötsch.
Teures Rennen um Antrieb der Zukunft noch offen
Ob der Batterie die Zukunft gehört, ob sich die Brennstoffzelle durchsetzt oder ob doch Hybride die Nase vorne haben werden, weiß niemand. Im heiß umkämpften Markt wollen sich alle Hersteller für jeden Fall in Position bringen. "Die große Begeisterung sehe ich bei den deutschen Autobauern nicht, aber die Angst, bei neuen Technologien den Anschluss zu verlieren", meint Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management.
Dass die Autobauer viel Geld in neue Technologien stecken, hängt nicht zuletzt mit den immer strikteren CO2-Grenzen der EU zusammen. Vor allem die mit dicken Oberklasse-Fahrzeugen auf dem Weltmarkt sehr erfolgreichen deutschen Hersteller laufen Gefahr, die ab 2020 geltende 95-Gramm-Obergrenze nicht einhalten zu können.
Europas Automarkt seit fünf Jahren rückläufig
Ein Ende der Absatzkrise in Europa erwarten die meisten Manager frühestens im zweiten Halbjahr 2014. Zwar hatte der Juli heuer etwas Licht am Ende des Tunnels erahnen lassen: Der Absatz in der EU lag knapp fünf Prozent über dem Vorjahr. Im August wiederum lag der Wert jedoch fünf Prozent unter dem Vorjahresniveau, saisonbereinigt stagnierte der Markt. "Die Neuzulassungen in Europa sind seit mehr als fünf Jahren rückläufig. 2012 wurden 3,5 Millionen Fahrzeuge weniger zugelassen als in 2007. 2013 markiert wahrscheinlich den Tiefpunkt", urteilen Experten der Beratungsgesellschaft PwC. 13 bis 13,5 Millionen Autos - das bedeutet fünf Millionen weniger als in den besten Jahren. Sehr fraglich bleibt, ob Europas Autoindustrie die alten Höhen jemals wieder erreicht? Derzeit jedenfalls rechnet VW-Chef Winterkorn vor, dass es eigentlich zehn Autofabriken in Europa zu viel gebe.
Wirtschaftlich haben die meisten deutschen Hersteller die Autokrise allerdings locker gemeistert, im Gegensatz zu Peugeot oder Fiat. Volkswagen, Daimler oder BMW fuhren in den ersten sechs Monaten Milliardengewinne ein und verzeichneten Absatzrekorde: Die guten Geschäfte in Übersee die Schwäche in der Heimat überdeckt.
Seit längerem gilt die Faustregel: Wer das schwache Europageschäft nicht in den Autoboom-Regionen China und USA ausgleichen kann, hat ein Problem. Und auch die Produktion verlagert sich zunehmend in die Hoffnungsmärkte: Volkswagen etwa baut derzeit sieben seiner weltweit neun neuen Fabriken in China, das mittlerweile sein größter Markt ist.
Auch BMW-Chef Reithofer stellt sich darauf ein, dass Europa in drei bis fünf Jahren nur 40 Prozent zum weltweiten Absatz beisteuert statt wie derzeit 45 Prozent. "In Deutschland ist im Premiummarkt nix mehr drin." BMW hat die Entscheidung über ein neues Werk in Brasilien bereits getroffen, Daimler und Audi wollen noch in diesem Jahr entscheiden. BMW und Daimler denken auch an Nordamerika, Audi baut schon eine Fabrik in Mexiko.
Börse setzt auf baldige Fusion Fiats mit Chrysler
Trotz der eher trüben Aussichten für Europa ist die Stimmung auf der weltgrößten Automesse nach Einschätzung von Branchenkennern nicht mehr ganz so schlecht wie beim letzten Mal vor zwei Jahren. Auch die Börsen reagierten im Vorfeld freundlich, honorierten etwa bei Peugeot und Ford den strikten Sparkurs und zusammengestrichenen Investitionsbudgets. VW-Aktien legten deutlich zu, nachdem Patriarch Ferdinand Piech Spekulationen über einen baldigen Rückzug zurückwies und Arm in Arm mit seiner Frau Ursula durchs Messegelände promenierte.
Den größten Kursprung nach oben - um fast fünf Prozent - verursachte aber Fiat-Chef Sergio Marchionne, der überraschend seinen Besuch in Frankfurt "wegen anderer Geschäftstermine" kurzfristig absagte. Da spekulierte die Branche, dass er mit der geplanten Voll-Übernahme seiner hoch profitablen US-Tochter Chrysler rascher vorankommt als gedacht - mit anschließender Fusion zum siebentgrößten Hersteller der Welt. Und - das freut die Börsianer am meisten - mit Vollendung der Flucht aus Italien, wo ohnehin schon 2010 nur mehr 600.000 der insgesamt 2,2 Millionen Autos mit dem Fiat-Logo gebaut wurden.
Das Thema Car-IT ist der zweite große Schwerpunkt in Frankfurt: Daimler-Chef Dieter Zetsche ließ sich entspannt auf dem Rücksitz thronend von einem fahrerlosen vollautomatischen Modell der neuen S-Klasse auf die Bühne bringen. In zehn bis 15 Jahren könnte der Traum vom vollautomatischen Fahren Realität sein: Das Auto steuert - der Fahrer liest, checkt E-Mails oder schläft. "Zusammen mit der E-Mobilität bringt das vernetzte Auto nach einer mehr als hundertjährigen Tradition eine völlig neue Qualität des Fahrens", meint Bratzel. "Das wird die Autoindustrie in ihren Grundfesten erschüttern."
Denn auch diese Entwicklung erfordert immense Investitionen - und dann kommt womöglich ein neuer Wettbewerber aus einer ganz anderen Branche. Diesmal ist Google mit seinem bereits erprobten Roboterauto übrigens noch nicht in Frankfurt vertreten.
Die wahren Stars sind die kleinen Geländewagen
Die wahren Stars der Branche sind aber die immer beliebter werdenden mittleren und kleinen Geländewagen, ein wahres "SUV-Fieber" diagnostiziert die Fachpresse. Dabei ist es den Käufern häufig egal, ob die Stadtflitzer auf Stelzen mehr Treibstoff brauchen als die Kompaktautos und Kleinwagen, von denen sie abstammen. Der Anteil der Sport Utility Vehicles (SUV) an den Neuzulassungen in den 28 EU-Staaten und drei Efta-Ländern Schweiz, Island und Norwegen hat sich binnen vier Jahren trotz Krise nahezu verdreifacht. Fast alle Hersteller haben mittlerweile Geländewagen im Programm. Derzeit kann der Käufer zwischen 78 SUV-Modellen von 32 Marken wählen, 2020 wird jedes dritte in Deutschland verkauft Auto ein SUV sein.