Karl verärgerte Studenten schon bei Amtsantritt, stellte sich dann aber der Diskussion. | Von "Uni Brennt" bis Gesamtschule: Eine Bilanz. | Wien. Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen. Mit diesen zwei Forderungen hat Beatrix Karl Ende Jänner 2010 die Nachfolge von EU-Regionalkommissar Johannes Hahn im Amt des Wissenschaftsministers angetreten.
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Und mit diesen zwei Forderungen hat sich die heute 43-Jährige bei den Studierenden von Anfang an unbeliebt gemacht. Erst wenige Monate zuvor waren diese zu Tausenden gegen die katastrophalen Bedingungen an den Universitäten auf die Straße gegangen und hatten die Hörsäle des Landes im Rahmen der "Uni-brennt"-Bewegung besetzt. Karl hatte also weder einen leichten Start als Ministerin noch hat sie ihn sich leicht gemacht.
Die gebürtige Steirerin ist habilitierte Arbeits- und Sozialrechtlerin, deshalb hat sich die ÖVP bei ihrer fieberhaften Suche nach einem Nachfolger für die glücklose Justizministerin Claudia Bandion-Ortner für sie entschieden. Dabei ist auch Karl eine Quereinsteigerin. Nach einer erfolglosen Kandidatur bei der steirischen Landtagswahl kam Karl 2006 als Abgeordnete in den Nationalrat, wo sie später den Posten der Wissenschaftssprecherin von Gertrude Brinek übernahm. Nach einem Kurzengagement als ÖAAB-Generalsekretärin übernahm sie das Ministerium.
Nachdem sie die Studierenden zunächst einmal gehörig verärgert hatte, suchte Karl den Dialog und begab sich direkt in die Höhle des Löwen: In der Akademie der Bildenden Künste, wo der Studentenprotest seinen Anfang genommen hatte, stellte sie sich den Buhrufen der Studierenden. Immerhin ein Schritt, dem sich Hahn verweigert hatte.
Viele Projekte, aber kaum Ergebnisse
Den als Reaktion auf die Uni-Bewegung von ihrem Amtsvorgänger initiierten Hochschuldialog führte Karl weiter - er endete im Sommer 2010 mit mäßigem Erfolg. Studenten und Rektoren verließen den Tisch mit allen "Stakeholdern" (eines von Karls Lieblingsworten) des tertiären Sektors vorzeitig. Als größter Erfolg des fast 250.000 Euro teuren Dialogs gilt der Umstand, dass einmal alle Akteure an einen Tisch geholt wurden.
Ebenfalls als Reaktion auf "Uni Brennt" startete Karl das Projekt "Bologna Reloaded": Die Studienpläne, die durch die Umstellung von Diplomstudien auf das Bachelor-/Master-System zum Teil heftig gelitten haben, sollten verbessert werden. Was daraus geworden ist, ist unklar.
Noch unvollendet sind Karls Bestrebungen zur Schaffung eines österreichischen Hochschulplans und zur Entwicklung einer Studienplatzfinanzierung. Diese beiden Punkte sind in den Grundzügen immerhin mit dem Koalitionspartner SPÖ akkordiert. Ihre Forderung nach Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen hat Karl, die ein gutes Verhältnis zu ihrer Spiegelministerin Claudia Schmied aufbauen konnte, freilich nicht durchgebracht.
Das gute Einvernehmen bezog sich wohl auch eher auf die Schulpolitik, wo sich die Wissenschaftsministerin entgegen der offiziellen ÖVP-Linie für die Gesamtschule - in ihren Worten: "Gymnasium für alle" - aussprach. Dieser allzu liberale Kurs wurde prompt damit bestraft, dass Josef Pröll sie von den Schulverhandlungen abzog und durch den als Hardliner verschrieenen Bildungssprecher Werner Amon ersetzte.
Im Clinch war Karl zuletzt auch mit den außeruniversitären Forschungseinrichtungen, denen sie wegen Budgetknappheit die Basisförderungen strich.
Vorschusslorbeeren und erste Forderungen
Nun übernimmt Karl mit dem Justizressort eine weitere Großbaustelle. Nicht nur gilt es, sich umfassend der Korruptionsbekämpfung anzunehmen, offen sind auch Themen wie die Obsorge für geschiedene und uneheliche Väter, die Ausbildung der Staatsanwälte und natürlich die Neuordnung des Weisungsrechts. Zuallererst muss sich Karl darum bemühen, das angeknackste Vertrauen in die Justiz wieder herzustellen - und das Vertrauen ihrer eigenen Leute in die Ressortleitung, das unter Bandions Weisungskalamitäten gelitten hat.
Während es vom Rechtsanwaltskammertag bereits Vorschusslorbeeren gab - Präsident Gerhard Benn-Ibler lobte Karl als "profunde Juristin und Wissenschafterin" - deponierten die Richter gleich einige Forderungen. Vor allem solle Karl auf das Weisungsrecht verzichten, betonte Richter-Präsident Werner Zinkl.