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In Österreich sind - im Gegensatz zur weit verbreiteten These, dass sie sich wie siamesische Zwillinge ähneln - zwei grundverschiedene Parteien gemeinsam an der Macht. Das Weltbild von SPÖ und ÖVP war von Anfang an völlig unterschiedlich - man denke nur an die Zwischenkriegszeit oder den Austrofaschismus. Die Erfahrungen der NS-Zeit, die sogenannte Lagerstraße, hat dann zu einem Miteinander in den Aufbaujahren nach 1945 beigetragen. In der Zeit des Wirtschaftswachstums waren große ideologische Auseinandersetzungen nicht so maßgeblich, da man bei der Verteilung der Mittel immer auch die jeweils andere Klientel bedienen konnte.
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In Zeiten der Knappheit wurden wieder die alten Pole sichtbar. Noch einige Male einigten sich Rot und Schwarz auf Koalitionen, die sie eigentlich nicht bilden wollten. Nicht nur aus ideologischen Gründen war die Zusammenarbeit schwierig geworden, auch auf der persönlichen Ebene wollte und konnte man gewisse Antipathien nicht mehr überwinden.
Vranitzky und Mock waren einander ebenso wenig freundschaftlich zugetan wie Klima und Schüssel. Gemeinsame Tiergarten- oder Ausstellungsbesuche wie Schüssel das mit seinen freiheitlichen Regierungsmitgliedern inszenierte, waren und sind zwischen Sozialdemokraten und Volkspartei nicht denkbar.
Nach dem harten Wahlkampf des Vorjahres konnten sich die beiden Partner zwar mit viel Bauchweh auf ein gemeinsames Regierungsprogramm einigen. Viel Ambition ist daraus aber nicht abzulesen.
Die ÖVP verteidigt die Arbeit der vergangenen sieben Jahre, die SPÖ will neue Ufer erklimmen und, wenn möglich, alte Inseln wie etwa die Eurofighter hinter sich zurücklassen.
Pflegefinanzierung, Beamtendienstrecht, Handy-Fernsehen, Ortstafeln, Neue Mittelschule, verpflichtendes Vorschuljahr, Marktordnungsgesetz-Novelle - eine lange Liste von Themen, bei denen kein gemeinsamer Nenner gefunden wird. Da geht es nicht nur darum, dass der eine dem anderen keinen Erfolg gönnt, sondern auch um maßgebliche inhaltliche Differenzen.
In der Schulpolitik ist das Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Weltbilder am deutlichsten sichtbar. Die SPÖ will Chancengleichheit für alle Kinder erreichen und durch möglichst flächendeckende pädagogisch sinnvolle Nachmittagsangebote Frauen den Weg in die Arbeitswelt erleichtern.
Die ÖVP beharrt auf früher Differenzierung und findet, dass die beste Betreuung der Kinder zu Hause durch die Mütter erfolgt. Noch denkt keiner der Partner an einen Ausstieg aus der ungeliebten Koalition, aber sehr viel mehr als das bereits Vereinbarte ist nicht zu erwarten.
Von einer großen Koalition neuen Stils, wie sie bei der Angelobung versprochen und angekündigt wurde, ist bis dato nicht viel sichtbar.

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