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Der Insolvenzantrag von German Pellets liefert Hinweise darauf, wohin 270 Anlegermillionen geflossen sein könnten.
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Wien/Wismar. Am Dienstag startete die erste von insgesamt vier Gläubigerversammlungen des insolventen Brennstoffherstellers German Pellets aus Wismar, im deutschen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Vorsorglich war die Polizei vor die rund 1000 Personen fassende, eigens angemietete Halle in Schwerin bestellt worden. Offensichtlich befürchtete man Tumulte. Aber nur wenige Dutzend Gläubiger sind der Einladung des Insolvenzgerichts nach Schwerin gefolgt - um zu erfahren, was German Pellets mit den mindestens 270 Millionen Euro an Anlegergeldern gemacht hat. Diese könnten nach der Pleite des Ökoimperiums völlig verheizt sein.
Die Chance, etwas von ihrem Geld wiederzusehen, steht für die Gläubiger weiter schlecht. 480 Millionen Euro Schulden hat Firmengründer Peter Leibold laut der Insolvenzverwalterin Bettina Schmudde angehäuft. 4,4 Millionen Euro Masse seien für die Gläubiger verfügbar. "Es war schnell deutlich, hier handelt es sich um eine Kriminalinsolvenz", so Schmudde. Die Staatsanwaltschaft Rostock ermittelt seit Monaten gegen Leibold wegen Verdachts auf Insolvenzverschleppung, Untreue und Steuerhinterziehung. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Am Dienstag waren die Besitzer der ersten Inhaberschuldverschreibungen geladen, die German Pellets eigentlich im April hätte zurückzahlen sollen. Es geht dabei um einen Umfang von bis zu 100 Millionen Euro. Heute stehen weitere 50 Millionen Euro (Laufzeit bis 2018) auf dem Spiel. Am 7. Juli wird die dritte Verschreibung besprochen (Laufzeit bis 2019) - es geht um weitere 130 Millionen Euro. Die Inhaber der Genussscheine, 15 Millionen Euro Volumen, sind am 8. Juli an der Reihe.
Über 120 Millionen nach Wien
Am ersten Tag der Gläubigerversammlung versuchte Insolvenzverwalterin Schmudde den Sparern einen Überblick über die Lage zu geben. Außerdem wählten die Anleger am Dienstag einen gemeinsamen Vertreter, der sich um die Anlegerrechte kümmert. Der Firmengründer Peter Leibold ließ sich bei der Gläubigerversammlung nicht blicken. Seine Einsicht in die Dinge wäre für die Anleger aber wohl höchst interessant. Ihm vertrauten schließlich 17.000 Investoren über eine Viertelmilliarde Euro an und wetteten mit ihm auf die Zukunft erneuerbarer Energien. Er lockte sie noch wenige Monate vor dem Insolvenzantrag mit Werbevideos, in denen seine sauberen, innovativen Heizstoffe und eine Rendite von acht Prozent Zinsen angepriesen wurden - in Zeiten von extrem niedrigen Zinsen für konventionelle Anlageformen für viele wohl nur allzu verlockend. Die Wette scheint nach der Insolvenz aber verloren. Wo das viele Geld geblieben ist, lässt sich nur schwer nachvollziehen. In den vergangenen Monaten ergaben Recherchen der "Wiener Zeitung", dass ein großer Teil des Anlegerkapitals, das für den deutschen Mutterkonzern gedacht war, über ein komplexes Wiener Firmen- und Stiftungsgeflecht in die USA transferiert wurde, um zwei Werke in Louisiana und Texas zu finanzieren.
Neuerliche Recherchen der "Wiener Zeitung" und dem deutschen "Handelsblatt" rücken Wien erneut in den Fokus. Laut dem Insolvenzantrag vom 10. Februar 2016, der der "Wiener Zeitung" vorliegt, weist German Pellets per 26. Jänner 2016 offene Darlehens-Forderungen von rund 166 Millionen Euro auf. Allein 82,3 Millionen entfallen auf die Pele Holding in Wien, die unter der Kontrolle der Familie Leibold steht. Diese wies 2014 zudem eine üppige Kapitalrücklage von 34 Millionen ohne jegliche Geschäftstätigkeit aus. Weitere rund 47 Millionen Euro borgte German Pellets der Wiener Gesellschaft IPBG Pellets Beteiligungs GmbH, einer 100-prozentigen Tochter der Holding.
Beide Darlehen dürften laut der Insolvenzverwaltung nicht operativ erwirtschaftet und allem Anschein nach Anlegegelder sein, die in die US-Werke geflossen sind. Deren CEO war übrigens eine gewisse Anna Kathrin Leibold, Tochter des österreichischen Sägewerks-Magnaten Fritz Klausner und Ehefrau von Peter Leibold. Aussagen von Wolfgang Zronek und Hans-Dieter Alt (beide waren bis Ende Juni 2016 Vorstände der Privatstiftung) zufolge ist Anna Leibold die Begünstigte der Pele Privatstiftung in der Wiener Tegethoffstraße 7, die im Besitz der beiden Gesellschaften ist und im Einfluss der Familie Leibold stehen.
Phantasie-Umsätze?
Die 270 Millionen Anlegerkapital dienten in den USA wohl auch als Sicherheit für neue Anleihen, mit denen der Konzern von amerikanischen Investoren weitere 550 Millionen US-Dollar einsammelte, um die beiden Werke zu finanzieren. Aber auch diese Werke sind in finanzieller Not - auch deshalb sieht es ganz danach aus, dass die Anleger des deutschen Mutterkonzerns am Ende wohl durch die Finger schauen könnten.
Bei der Gläubigerversammlung in Wismar wurde Zweifel an der Korrektheit der von Leibold lancierten Umsatzzahlen laut. Im vergangenen Jahr soll German Pellets 386 Millionen umgesetzt haben, noch im Herbst hatte Leibold verkündet, 2015 den angeblichen Vorjahresumsatz von fast 600 Millionen Euro noch zu überbieten. Gut möglich, dass hierbei getrickst wurde. Denn auch die Zinsen an die Anleger konnte der Konzern kaum noch zahlen: "Wir merkten nach jeder Zinszahlung, dass kein Geld mehr für Rechnungen da war", so ein ehemaliger Mitarbeiter. Mehr als 17 Millionen Euro an Verlust soll German Pellets 2015 angehäuft haben.