Positive Auswirkungen der EU-Präsidentschaft. | Steigende Erweiterungsmüdigkeit geortet. | Brüssel. Die Zustimmung zur EU ist allgemein gestiegen, die Unterstützung für künftige Erweiterungsschritte weiter gesunken. Österreich bleibt Schlusslicht. Das ergab die gestern, Donnerstag, vorgestellte neueste Eurobarometer-Umfrage. Immerhin 34 Prozent der Österreicher halten demnach die Mitgliedschaft bei der EU für "eine gute Sache" gegenüber 32 Prozent im Herbst 2005. Dennoch bleibt Österreich damit klar Letzter hinter Lettland und Finnland. Der Unionsschnitt ist im gleichen Zeitraum um fünf Prozentpunkte auf 55 Prozent gestiegen, den zweithöchsten Wert seit 1995.
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Die Stimmung im Land sei seit etwa zwei Jahren stabil, erklärt Harald Pitters vom österreichischen Gallup-Institut, das die Eurobarometer-Umfragen in Österreich durchführt. Bei der Steigerung um zwei Prozentpunkte könne man zwar von keiner Trendwende sprechen. Allerdings spiegle sich die "relativ gelungene Präsidentschaft" positiv wider. EU-Themen seien dadurch stärker ins Bewusstsein getreten. Zu beachten sei auch, dass die Befragungen im März und April relativ früh während des heimischen EU-Vorsitzes stattgefunden haben. Mit fortschreitender Präsidentschaft hätten die Werte noch besser ausfallen können.
Denn die österreichische Gesellschaft sei traditionell gedrittelt. Ein Drittel befürworte die EU, eines sei dagegen und eines unentschieden. Letzteres könne vorübergehend ins Pro-Lager gezogen werden, wie es etwa bei der Volksabstimmung zum EU-Beitritt 1994 gelungen sei.
Etwas weniger als ein Drittel der Österreicher sprach der EU in der jüngsten Umfrage ein gutes Image zu, immerhin satte acht Prozentpunkte mehr als im Herbst. Hinter Österreich liegt nun mit 30 Prozent ausgerechnet das derzeit den EU-Vorsitz führende Finnland.
"Absolut paradox"
Mit 39 Prozent sehen die Österreicher am wenigsten in der ganzen EU die Vorteile der Mitgliedschaft - trotz einer Steigerung um vier Prozentpunkte im letzten halben Jahr. Ein "absolutes Paradoxon" ist das für Pitters. Österreich habe massiv profitiert, das werde inzwischen auch verstärkt kommuniziert. Persönliche Vorteile würden von den Befragten offenbar aber nicht wahrgenommen. EU-weit liegt der Schnitt bei 54 Prozent.
Die Österreicher seien eben "pauschal viel kritischer", so der Meinungsforscher. Dieses Phänomen des "optimistischen Paradoxons" zeige sich auch bei den gefühlten Ängsten. Mit 57 Prozent führt Arbeitslosigkeit als Bedrohung weit über dem EU-Schnitt von 49 Prozent. Das stehe in keinem Verhältnis zu der im EU-Vergleich hervorragenden Beschäftigungslage. Für dieses "gefühlte Unwohlsein" gebe es in den seltensten Fällen konkrete Gründe in der persönlichen Jobsituation.
Traditionell am wenigsten Zustimmung gibt es in Österreich auch für künftige Erweiterungen. Mit 27 Prozent wollen noch um zwei Prozentpunkte weniger als letzten Herbst "in den nächsten Jahren" neue Länder aufnehmen. Künftige Erweiterungn werden von den Österreichern "eins zu eins mit dem Beitritt der Türkei assoziiert", erläutert Pitters. Spezifische Fragen etwa nach dem Beitritt von Ländern des Westbalkans könnten hier ganz andere Werte ergeben. Die Türkei aber übersteige die Vorstellungskraft "mit ihrer Größenordnung und ihrer Fremdheit".
Auch im EU-Schnitt wünschen sich nur mehr 45 Prozent neue Erweiterungsschritte gegenüber 49 Prozent im Herbst. Die neuen Mitgliedsländer sind hier weiterhin deutlich aufgeschlossener. Bei ihnen liegt der Schnitt bei 66 Prozent gegenüber 41 Prozent bei den EU-15. Luxemburg liegt mit Österreich ex aequo an letzter Stelle.