Die Themen Terror und innere Sicherheit rücken wieder in den Vordergrund des US-Wahlkampfs.
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Washington. Wer immer noch Zweifel am Ernst der Lage hat, ist mit einem Blick auf den öffentlichen Terminkalender des amtierenden Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gut beraten. Mindestens ein, zwei Tage pro Woche, ab sofort bis zum Wahlgang am 4. November: Wie kein anderes US-Staatsoberhaupt zuvor wird sich Barack Obama für seine Nachfolge ins Zeug werfen.
Wie dramatisch er die Lage einschätzt, lässt der 55-Jährige seit Wochen durchsickern: Nicht nur, dass er seine ehemalige Außenministerin und Parteifreundin Hillary Clinton für die beste Lösung halte. Eine Wahl ihres Konkurrenten Donald Trump käme seiner Meinung nach nicht weniger als einer Zerstörung seines politischen Erbes gleich, innen- wie außenpolitisch.
Darüber hinaus herrscht im Weißen Haus dem Vernehmen nach über eines Konsens: Sollten den Terroranschlägen der vergangenen Woche weitere folgen, könnte Hillary Clinton trotz aller Schützenhilfe Probleme bekommen. Zuerst der offenbar geistig umnachtete Attentäter von Minnesota, der in einem Einkaufszentrum in der Stadt St. Cloud zehn Leuten ein Messer in die Körper rammte - nachdem er sie zuvor gefragt hatte, ob sie eh keine Muslime seien -, und jetzt, am Wochenende, der Bombenleger von New York und New Jersey: Auch wenn es glücklicherweise keine Toten zu beklagen gab, nehmen die Themen innere Sicherheit und Terrorabwehr ab sofort wieder einen prominenten Platz auf der amerikanischen Wahlkampf-Agenda ein.
"Die korrupte Hillary"
Am frühen Dienstagmorgen, am Tag, nachdem der mutmaßliche Bombenleger - ein junger, in der Kleinstadt Elizabeth, New Jersey lebender, eingebürgerter Afghane namens Ahmad Khan Rahami - nach einer Schießerei gefasst wurde, trat Trump auf seinem bevorzugten Kommunikationsmedium Twitter noch einmal nach: "Die korrupte Hillary kämpft angeblich seit Jahren gegen den Islamischen Staat. Jetzt hat sie plötzlich neue Ideen."
Im Vergleich dazu, was der Präsidentschaftskandidat der Konservativen der Öffentlichkeit am Tag zuvor via ganz altmodischer Presseaussendung mitgeteilt hatte, nahm sich dieses Statement fast bieder aus. Als Reaktion auf Clintons Verurteilung der Anschläge hatte der Immobilienmagnat und Ex-Reality-TV-Star folgendes zu sagen: "Heute hat Hillary Clinton wieder einmal gezeigt, dass sie nichts unversucht lässt, von ihren Schwächen als Außenministerin abzulenken (...) Die Terroristen hoffen und beten dafür, dass sie Präsidentin wird, damit sie mit ihrer Grausamkeit und ihren Morden weitermachen können." Darüber, inwieweit Botschaften dieser Art nachhaltig bei den Wählerinnen und Wählern verfangen, gehen die Meinungen allerdings weiter auseinander, als man auf den ersten Blick annehmen würde.
Clinton glaubwürdiger
Kurzfristig zeigten die Anschläge an der Ostküste und im hohen Norden des Landes keine Veränderungen in den Umfragen, in denen Clinton nach wie vor stabil vorne liegt: Was die Themen innere Sicherheit und Schutz vor Terrorismus angeht, vertrauen trotz der jüngsten Ereignisse immer noch mehr Amerikaner Hillary Clinton als Donald Trump. Vordergründig eine Überraschung, nachdem gewöhnlich der konservativen Partei in ungleich höherem Maße zugetraut wird, die Bürgerinnen und Bürger des Landes vor terroristischen Taten zu bewahren. Aber nachdem Donald Trump alles andere als ein herkömmlicher Politiker ist - und anders als die erfahrene Außenpolitikerin Hillary Clinton nur auf seine mittlerweile sattsam bekannte, aber nichtsdestoweniger substanzlose Anti-Islam-Rhetorik verweisen kann -, scheint er es bisher wider Erwarten kaum zu schaffen, aus dem Thema entscheidendes politisches Kapital zu schlagen.
Sollte die innere Sicherheit Amerikas bis November nicht mehr von der Top-Agenda verschwinden, könnte sich das ironischerweise sogar für Clinton auszahlen. Was ihr während der Vorwahlen im Kampf gegen Bernie Sanders als Nachteil ausgelegt worden war - ihre harte, von jeher auf Pragmatismus und Interventionismus vertrauende außenpolitische Linie -, bewahrt sie derzeit davor, von den Republikanern glaubhaft als Schwächling dargestellt zu werden.
Mit dieser Taktik sind die Konservativen schon einmal weit gekommen. Der letzte Wahlkampf der jüngeren Geschichte, in dem Sicherheit für die Wähler ganz oben auf der Liste der Dinge stand, um die sich sorgen, fand vor zwölf Jahren statt. Damals gab sich der amtierende Präsident George W. Bush alle Mühe, seinen Konkurrenten, den heutigen Außenminister Kerry, einen mehrfach ausgezeichneten Vietnamkriegs-Veteranen, als Weichling darzustellen, dessen Wahl das Leben der Bürger gefährde.