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Von Folter bis zur Steinigung

Von Alexander Dworzak

Politik

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Bamako. 80 Häftlinge auf nur fünf Quadratmetern Fläche. Plastiksäcke, die als Urinal dienen. Erzwungene sexuelle Handlungen unter den Gefangenen: Derartige Übergriffe schildert Amnesty International in einem am Dienstag erschienenen Bericht. Soldaten der malischen Armee wurden von anderen Militärs - Anhängern des Putschisten-Hauptmanns Amadou Sanogo - verschleppt, gefoltert und ermordet.

Mali versinkt im Chaos. Von einer "sehr unübersichtlichen Lage" spricht Österreichs Botschafter im Nachbarland Senegal, Gerhard Deiss, gegenüber der "Wiener Zeitung". Im März putschten sich die Militärs unter Sanogo an die Macht, um den Kampf gegen das nach Unabhängigkeit strebende Volk der Tuareg sowie gegen die Islamisten im Land härter führen zu können.

Politisch bewirkten die Putschisten lediglich ein Machtvakuum, das ihre Gegner nutzten: Nicht nur mussten die Militärs einer Übergangsregierung das Feld überlassen, mittlerweile kontrolliert die mit Al-Kaida verbündete Gruppe Ansar Dine den Norden Malis, rund 50 Prozent des gesamten Staatsgebiets.

Mord vor 200 Augenzeugen

Erst warfen die Islamisten die mit ihnen alliierten Tuareg aus dem Gebiet und errichteten die "Islamische Republik Azawad". Später führten sie die Scharia ein und zerstörten islamische Heiligengräber - allen voran das Weltkulturerbe Timbuktu, welches ihnen als "unislamisch" verhasst war. Am Sonntag folgte die erste Steinigung. Ein nicht verheiratetes Paar wurde in der Stadt Aguelhok in Anwesenheit von 200 Personen hingerichtet. Den beiden wurde Ehebruch vorgeworfen. "Sie wurden in zwei große Löcher gestellt und mit Steinen beworfen, bis sie tot waren", berichtet ein Augenzeuge. Seinen Angaben zufolge hinterlasse das Paar zwei Kinder, von denen eines erst sechs Monate alt sei.

Machtlos sieht die Übergangsregierung Gewalt und Staatszerfall zu. Ihr gelingt es nicht einmal, die Kräfte gegen die Islamisten zu bündeln. Stattdessen beschnitt Interimspräsident Dioncounda Traore kürzlich die Kompetenzen von Premier Cheick Modibo Diarra und gründete einen Hohen Staatsrat. Dieser solle die Verfassung Malis "vervollständigen" und den "gesellschaftspolitischen Realitäten anpassen". Vorsitzender des Gremiums ist der Präsident höchstpersönlich.

Die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS forderte die Bildung einer Einheitsregierung bis Dienstagabend. Auch wenn dieser Termin nicht halten sollte: Ecowas ist gewillt, Mali militärisch gegen die Islamisten zu unterstützen. "So fürchten Niger und Senegal die Ausdehnung des Konflikts auf ihr Land", analysiert Charlotte Heyl vom Hamburger Giga-Institut. Auch die Ex-Kolonialmacht Frankreich signalisiert "angemessene Mittel", um die von den Islamisten ausgehende Terrorgefahr einzudämmen.