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Von Gleichbehandlung kann keine Rede sein

Von Ulrike Demelius

Gastkommentare

Folgende Szene konnte ich letzthin beobachten: Nach ihrem Friseurbesuch trug eine Bekannte den Rechnungsbetrag für Waschen, Schneiden, Fönen ins Haushaltsbuch ein. Als ihr Mann den Eintrag sah, fiel er ob der Höhe aus allen Wolken.


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Mehr als 30 Jahre ist in Österreich das Gleichbehandlungsgesetz in Kraft. Darin festgeschrieben ist unter anderem die gleiche Bezahlung für gleiche und gleichwertige Arbeit. Von der Umsetzung dieses Grundsatzes sind wir noch weit entfernt. Nach Berechnungen von Business & Professional Women (BPW) Austria beträgt derzeit in Österreich die Lohndifferenz zwischen Vollzeit beschäftigten Frauen und Männern knapp 27 Prozent. Das heißt in Arbeitstagen ausgedrückt, dass Frauen um 70 Tage im Jahr länger arbeiten müssten, um dasselbe zu verdienen wie ihre männlichen Kollegen. (Die Berechnungen basieren auf dem Bericht des Rechnungshofes über die durchschnittlichen Einkommen aus dem Jahr 2009.)

Gleichbehandlung hat auch noch einen anderen Aspekt: den gleichberechtigten Zugang zu Dienstleistungen. Auch dieser Grundsatz ist - auf Druck der EU - seit einiger Zeit in Österreich gesetzlich festgeschrieben. Früher mussten Frauen mit Kurzhaarfrisur beim Friseur für Waschen, Schneiden, Fönen mehr als doppelt so viel bezahlen wie Männer (mit Kurzhaarfrisur). Private Krankenversicherungen für Frauen waren um gut ein Drittel teurer als für Männer. Allerdings waren Fußball- und Eishockeykarten für Frauen billiger als für Männer. Und wie sieht es heute aus?

Beginnen wir mit dem Einfachsten: den Tickets. Ein Mann hat anlässlich der Fußball-EM gegen die billigeren Karten für Frauen geklagt und Recht bekommen. Die Preise wurden angeglichen, der Gleichbehandlungsgrundsatz ist gegeben. Diffiziler ist die Lage beim Friseur. Ein kurzer Preisvergleich via Internet ergab folgendes Bild: Waschen, Schneiden und Fönen gibt es nur noch für Männer. Frauen werden die Haare nicht geschnitten, sondern "geformt". Waschen und Formen bei Frauen ist meist billiger als die Komplettbehandlung beim Mann. Wenn die Haare aber auch noch getrocknet werden, verdoppelt das Fönen für Frauen im Normalfall den Preis.

Ein eigenes Kapitel sind die privaten Krankenversicherungen. Sie haben keinen einkommens-, sondern einen geschlechterabhängigen Tarif. Trotz des Grundsatzes des gleichberechtigten Zugangs zu Dienstleistungen zahlen Frauen heute noch immer um ein Drittel mehr als Männer - mit der Begründung, dass Frauen ein höheres Krankheitsrisiko darstellen. Und das, obwohl Studien das Gegenteil belegen.

Fazit: Auch heute noch lassen sich Beispiele finden, in denen Frauen trotz geringerem Verdienst höhere Kosten für Dienstleistungen des täglichen Lebens einkalkulieren müssen. Das gehört thematisiert, damit sich hoffentlich bald etwas ändert.

Ulrike Demelius ist Wirtschaftsinformatikerin und Leiterin der Arbeitsgruppe zum Equal Pay Day bei Business & Professional Women Austria.