Ein 36-jähriger Jungbürgermeister hat es sich zur Aufgabe gemacht, die kosovarische Hauptstadt von Müll und Korruption zu befreien.
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Prishtina. Geht man nach Shpend Ahmetis Social-Media-Auftritt, so ist er der frischgebackene Held der kosovarischen Hauptstadt. Zahllose Fotografien zeigen ihn vor ehemals illegalen Müllhalden, die durch Blumenbeete und Spazierwege ersetzt wurden. "Die Leute fragen sich schon, ob der vorige Bürgermeister wirklich schlecht war oder ob er einfach nur keine Facebook-Seite hatte", sagt Adil Sylqa, ein Informatikstudent aus Prishtina. Es stimmt, viele Handlungen des Jungbürgermeisters scheinen hauptsächlich dazu da zu sein, sich von der seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo regierenden politischen Elite abzuheben. Bereits in seiner ersten Amtswoche verkaufte er das teure Dienstauto seines Vorgängers, einen Audi Q7, und fährt seither mit dem Bus zur Arbeit. "Der Kosovo ist ein sehr armes Land. 30 Prozent der Bevölkerung leben in Armut und dann fährt der Bürgermeister in einem 75.000-Euro-Wagen durch die Straßen. Es mag eine symbolische Entscheidung gewesen sein, ihn zu verkaufen, doch die Botschaft, die ich damit senden möchte, ist sehr wichtig", sagt Ahmeti.
Etwa ein halbes Jahr ist "Shpend", wie ihn die Kosovo-Albaner salopp nennen, nun im Amt. Als Absolvent der Harvard Universität wären ihm bestimmt viele Türen offen gestanden. Der Job, den er sich stattdessen ausgesucht hat, ist nicht einfach. Prishtina ist chaotisch, leidet unter starker Luftverschmutzung, einem gigantischen Müllproblem und enormen Schwächen bei der Strom- und Wasserversorgung. Gleichzeitig frisst die Korruption den gesamten Kosovo von innen auf. Doch wenn Ahmeti über seine Heimkehr spricht, fällt dabei kein Wort der Bitterkeit. Es sei für ihn immer klar gewesen, dass er zurückkommen würde, um "einen Beitrag leisten".
Im Wahlkampf setzte der 36-Jährige auf einfache Themen: die Verbesserung des öffentlichen Verkehrsnetzes, eine verlässliche Wasserversorgung, Öffentlichkeit und Transparenz bei allen Entscheidungen und die Bekämpfung von Korruption. "Wir haben all diese Punkte auf Flyer gedruckt, damit die Leute sie in der Tasche herumtragen können, denn wir wollen, dass sie uns am Ende unseres Mandates danach beurteilen, wie viele von diesen Versprechen wir eingelöst haben", sagt Ahmeti. Er sei jemand, der Dinge einfach tut, sagt Ahmeti von sich selbst. "Es hat keinen Sinn, tausendseitige Dokumente darüber zu verfassen, wie man am besten die Korruption abstellt. Wir bekämpfen solche Strukturen, indem wir es einfach tun. Wenn wir das Gesetz, so wie es geschrieben ist, in allen Bereichen einfach anwenden könnten, würde sich die Situation signifikant verbessern", sagt Ahmeti.
Selbstbestimmung
Doch das durchzusetzen ist nicht einfach. Im Stadtrat hält die konservative Partei (LDK) seines Vorgängers Isa Mustafa die meisten Sitze und Ahmeti hatte seinen Wählern versprochen, keinesfalls eine Koalition mit einer der Großparteien einzugehen. Daher müsse man immer erst die anderen Parteien von jedem Vorschlag überzeugen. Der Bürgermeister selbst gehört der jungen Partei Vetevendosje an, was "Selbstbestimmung" bedeutet. Der Gruppierung um den ehemaligen Studentenführer Albin Kurti wird wegen ihrer serbienkritischen Haltung oft Nationalismus vorgeworfen. Etwa bis 2012 hatte die Partei den Ruf, vor allem ein Störenfried zu sein. Ihre Protestaktionen, wie etwa das Umwerfen serbischer Lastwägen, die Handelsgüter in den Kosovo brachten, endeten häufig in gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei und in Verhaftungen von Vetevendosje-Mitgliedern. Wie passt das zu Shpend Ahmeti, der sich betont vernünftig gibt? "Um ehrlich zu sein, ich glaube, einer der Gründe dafür, dass ich gewählt wurde, waren gerade diese Aktionen der Vetevendosje in den vergangenen drei Jahren. Wir haben gezeigt, dass wir eine Politik der Partizipation bevorzugen. Am Ende des Tages haben wir die Wahlen durch die Kraft von mehr als 1000 freiwilligen Helfern gewonnen und das ist der Geist von Vetevendosje", so Ahmeti.