Im Finale treffen zwei Welten aufeinander. Aber vielleicht gewinnt ja tatsächlich einmal der Bessere.
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Gut, die Deutschen Fußballer stehen im Finale der Euro, damit haben sie ihr Ergebnis von der WM 2006 übertroffen. Locker - wenn auch nicht spielend, zumindest nicht im eigentlichen Wortsinn.
Denn dass Märchen meistens mit dem Satz vom Wenn-sie-nicht-gestorben-sind-dann-machen-sie-so-weiter oder so ähnlich enden, ist irgendwie an ihnen vorbeigegangen. Vor zwei Jahren wollten die Deutschen also ein Sommermärchen schreiben, geendet hat das - das weiß man jetzt im Nachhinein - mit einem "Sie sind zwar nicht gestorben, aber sie werden wohl dann doch nicht so weitermachen."
Denn von Attributen wie Spielfreude und Offensivgeist, mit denen sie bei der WM das eigene Land zu einer schwarz-rot-goldenen Euphoriewelle - bisweilen wird sie auch schwarz-rot-geil bezeichnet - hingerissen und sogar in anderen Ländern, ja selbst in Österreich, sowas wie heimliche Anerkennung hervorgerufen haben, ist wenig übrig geblieben. Trotz Finale. Nun haben die gewohnt deutschen Tugenden wie Kampf, Einsatz, Organisation und Effizienz Hochsaison, und wenn dann noch das Glück dazukommt, kann man es eben bis nach Wien schaffen, wenn man das denn unbedingt will. So einfach gehts. Natürlich ist das alles nicht ganz so negativ. Natürlich können die Deutschen was. Fußball spielen gehört halt nicht unbedingt dazu.
Biedere Arbeit, bei der mehr Wert darauf gelegt wird, gut zu stehen als gut zu kombinieren, bei der wichtiger ist, wenig zuzulassen als viel zu zeigen, triffts schon eher. Auch das erfordert eine Art von Qualität, es ist halt nur nicht das, was das Gros der fußballbegeisterten Welt - Deutschland jetzt einmal ausgenommen - sehen will.
Das Finale am Sonntag wird somit zu einem Aufeinanderprallen von ballestrischen Welten. Da die Arbeiter von Jogi Löw, dort die feinen Dribblanskis von Luis Aragones. Zu wem die Mehrheit der fußballbegeisterten Welt - nämlich nicht nur Spanien - halten wird, ist eigentlich eh klar.
Nicht dass das vor zwei Jahren wesentlich anders gewesen wäre. Aber möglicherweise ein bisschen anders. Und nicht dass die Deutschen wahnsinnig traurig über diesen Umstand wären, sollten sie tatsächlich - wider alle Gerechtigkeit - am Sonntag den Europameisterschafts-Pokal gewinnen.
Es ist halt nur irgendwie schade. Und der Beweis, dass Sommermärchen manchmal kleine Heftchen bleiben, die in irgendeiner Lade verstauben, während der dicke Wälzer vom Glück, Einsatz und Kampf aus dem Kanon wohl nicht mehr zu verdrängen sein wird. Nicht einmal, wenn am Sonntag tatsächlich einmal der Bessere gewinnen sollte.
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"Natürlich haben auch die Deutschen ihre Qualitäten. Fußball spielen gehört halt nicht unbedingt dazu."