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Die Bestellung von Ex-FBI-Chef Robert Mueller zum Sonderermittler in Sachen "Kremlgate" bringt US-Präsident Donald Trump in schwere Bedrängnis - politisch und möglicherweise gar juristisch.
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Washington. Zurückhaltung ist eine Tugend, die in bewegten Zeiten hintanstehen muss, selbst im Todesfall. Mal hinter vorgehaltener Hand, mal offen: Das Urteil der professionellen Analystenklasse der US-Innenpolitik am Tag nach der Bestellung eines Sonderermittlers, der sich der Verbindungen zwischen Donald Trump, seinem Wahlkampfteam und Russland annehmen wird, lautete eindeutig. Roger Ailes, der Erfinder und langjährige Chef des konservativen Propagandasenders Fox News, habe seinem letzten politischen Schützling mit seinem Tod einen letzten Dienst erwiesen. Der im vergangenen Jahr wegen dutzender Vorwürfe der sexuellen Belästigung entlassene Ailes starb 77-jährig in Palm Beach, unweit von Mar-a-Lago, Trumps Luxusanwesen am Ostrand Floridas.
Die Nachricht vom Dahinscheiden des TV-Zampanos, der Fox News von Anbeginn erfolgreich als Sprachrohr des rechten (und mitunter rechtsradikalen) Amerika etablierte, überlagerte am Donnerstag fast alles - nicht zuletzt, weil darüber Einigkeit herrscht, dass es einen Präsidenten Trump ohne Ailes’ Einfluss und Hilfe nie gegeben hätte. Ersterer konnte derartige Ablenkungen, so kurz sie auch sein mögen, nie besser gebrauchen als derzeit. Nach fast 24 Stunden Twitterpause gewährte Trump am Donnerstag wieder einmal Einblick in sein Seelenleben und wie immer kam er dabei mit 140 Zeichen aus: Was da gerade in der Hauptstadt passiere, stelle nicht weniger als "die größte Hexenjagd in der amerikanischen Geschichte" dar, anders als "bei illegalen Akten, die unter Clinton und Obama passierten", würde ihm ein Sonderermittler vorgesetzt.
Aber alles Jammern hilft nichts, auch wenn sich Trump wie gewohnt von den Medien und der Justiz extrem ungerecht behandelt fühlt. Wie am Mittwochabend Ortzeit bekannt wurde, geht die Affäre um die Verbindungen zwischen dem Präsidenten, seiner Wahlkampftruppe und Wladimir Putins Russland jetzt in eine neue, vorentscheidende Runde. Rod Rosenstein, der Vizechef im Justizministerium, bestellte den ehemaligen FBI-Chef Robert Mueller zum "Special Counsel", zum mit nahezu allen Vollmachten ausgestatteten Sonderermittler in Sachen "Kremlgate".
Trump kommentierte Muellers Ernennung damit, dass dies ein "schrecklicher Schlag gegen unser Land" sei. Und dies zeige auch, "dass wir ein geteiltes, und nicht einheitliches Land sind".
Von allen Seiten respektiert
Während es seit langem als gesicherte Erkenntnis gilt, dass Russland mit allen möglichen legalen und illegalen Mitteln on- und offline für Trump wahlkämpfte, soll Mueller der Frage nachgehen, inwiefern die Wahlkampftruppe des Republikaners und möglicherweise er selber aktiv mit Putins Leuten zusammengearbeitet hat, um die Wahl Hillary Clintons zu verhindern. Von April bis November 2016 soll es laut ehemaligen und gegenwärtigen US-Regierungsvertretern in mindestens 18 Fällen entsprechende Telefonate oder E-Mails gegeben haben.
Nachdem sich Justizminister Jeff Sessions wegen Befangenheit aus den Ermittlungen heraushalten muss - er hatte im Rahmen eines Hearings vor dem Kongress unter Eid behauptet, dass er während des Wahlkampfs keinerlei Kontakt mit Repräsentanten der russischen Regierung hatte, obwohl er sich, wie sich im Nachhinein herausstellte, damals mindestens zwei Termine mit Botschafter Sergej Kislyak wahrnahm -, übernahm sein Vize Rod Rosenstein den Job der Ernennung Muellers.
Eine Entscheidung, die über Parteigrenzen hinweg Zustimmung fand. Mueller, ein republikanischer Karrierebürokrat, der seinen Job als FBI-Chef unter George W. Bush genau eine Woche vor 9/11 antrat und unter Obama im Amt blieb, genießt weit über die Grenzen Washingtons hinaus einen nahezu tadellosen Ruf. Nahezu, weil der 72-jährige zuletzt als Anwalt für WilmerHale arbeitete. Die Firma gilt als einer der besten und teuersten Rechtsvertreterorganisationen der USA und versammelt dementsprechende Klienten unter ihrem Dach: unter anderem Trumps Ex-Wahlkampfmanager Paul Manafort sowie Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, der, wie die "New York Times" berichtete, heftig darauf gedrängt haben soll, FBI-Chef James Comey zu entlassen.
Jahrelange Ermittlungen?
Trotz der etwas schiefen Optik trauen sogar die Demokraten Mueller zu, dass er die Ermittlungen in unparteiischer und wirklich unabhängiger Weise aufnehmen und zu Ende führen wird. Bis Ende Juli hat Mueller jetzt Zeit, sich eine Mannschaft zusammenzusuchen und ein Budget aufzustellen. Nämliches muss jedes Jahr aufs neue vom Justizministerium abgesegnet werden. Für die Dauer der Ermittlungen gibt es keinerlei zeitliche Begrenzungen. Obwohl Mueller de facto auf sämtliche personellen und materiellen Ressourcen der Bundesregierung zurückgreifen kann, inklusive jener der Geheimdienste, erwarten Experten, dass die Ermittlungen mindestens ein Jahr, wenn nicht gar mehrere dauern werden.
Solange die US-Öffentlichkeit auch möglicherweise auf die Ergebnisse warten muss, fad wird ihr trotzdem nicht so schnell werden. Jason Chaffetz, Republikaner und Vorsitzender des House Oversight Comittee, hat James Comey zu einem Hearing im Kongress eingeladen, dem dieser, wie mehrere Medien berichten, nur allzugern wahrnehmen wird. Termin ist der kommende Mittwoch. Derzeit nicht aussagen wird dagegen Trumps ehemaliger Sicherheitsberater Michael Flynn, der die Russland-Affäre mit seinen verschwiegenen Kontakten erst so richtig ins Rollen gebracht hat.