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Von Hoffnung keine Spur

Von WZ-Korrespondentin Birgit Svensson

Politik

"Ärzte ohne Grenzen" verlassen nach Bombardierung von Spitälern den Jemen.


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Kairo. Die internationale Organisation "Ärzte ohne Grenzen" zieht ihre Mitarbeiter aus den Provinzen Saada und Hadsch im Norden ab. Sechs Kliniken sind betroffen, die Ärzte sind unter anderem Geburtshelfer, Kinderärzte, Chirurgen und Notaufnahme-Spezialisten. Der Grund für den Abzug seien die "willkürlichen Bombardierungen und unzuverlässiger Versicherungen der von Saudi-Arabien geführten Militärkoalition", so die Organisation. Am Montag hatte ein Luftangriff auf ein Krankenhaus erneut 19 Menschen getötet, darunter ein Mitarbeiter von "Ärzte ohne Grenzen".

Seit der Aussetzung der in Kuwait geführten Friedensgespräche zwischen den Kriegsparteien am 7. August hat die von Saudi-Arabien geführte Militärkoalition die Luftangriffe im Norden Jemens in verstärktem Umfang wieder aufgenommen. Im ganzen Land sind bereits unzählige medizinische Einrichtungen angegriffen worden. In den vergangenen acht Monaten haben sich Vertreter der Organisation zweimal in Riad mit hochrangigen Offiziellen der Militärallianz getroffen, um Garantien zu erhalten, dass Angriffe auf Krankenhäuser gestoppt werden. Doch obwohl Ärzte ohne Grenzen systematisch die GPS-Koordinaten aller von ihr mit eigenen Mitarbeitern unterstützten Kliniken mitgeteilt hat, werden Angriffe auf die Einrichtungen fortgesetzt.

Bei dem Konflikt könnte esvor allem um Öl gehen

Am 26. März 2015 begann Saudi-Arabien, Luftangriffe auf den Jemen zu fliegen mit dem propagierten Ziel, die Herrschaft des geflohenen Präsidenten Abed Rabbo Mansour Hadi wiederherzustellen. Ihre Militäroffensive nannten die Saudis "Operation Restoring Hope". Doch von einer Wiederherstellung der Hoffnung kann für die Menschen vor Ort keine Rede sein. Im Gegenteil. Mehr als 23.000 Jemeniten sind seitdem getötet worden, viele mehr sind verletzt und 2,5 des insgesamt 27 Millionen zählenden Volkes sind vertrieben. Selbst wenn der Krieg im Jemen weitgehend als saudische Angelegenheit betrachtet wird, sind darin auch westliche Regierungen verstrickt. Britische und US-amerikanische Militärs sind direkt an den Luftoperationen beteiligt und Deutschland unterstützt den Krieg indirekt durch die massive Aufrüstung Saudi-Arabiens.

Das Engagement des Königreichs im Nachbarland Jemen ist längst nicht so einfach, wie Riad die Weltöffentlichkeit glauben lässt. Denn die tatsächlichen Beweggründe für den saudischen Kriegseintritt bleiben bislang weitgehend im Dunkeln. Neben der vorrangigen Wiederherstellung der Herrschaft Hadis stellen die Herrscher des Hauses Saud die Militärintervention im Jemen als einen Stellvertreterkrieg gegen den Iran dar. Mit dem Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten rechtfertigen sie mit großem medialem Aufwand ihre aggressive Intervention. Der Konflikt im Jemen wird als Teil eines größeren regionalen Kampfes zwischen dem sunnitischen Saudi-Arabien und dem schiitischen Iran definiert.

Diese Lesart ist weit verbreitet und wird oft kritiklos übernommen. Bei näherer Betrachtung jedoch verschwimmt dieses Bild. Den Krieg im Jemen als einen Stellvertreterkrieg entlang der konfessionellen Trennungslinien zu bezeichnen, sei irreführend und falsch, heißt es in einem Papier des Hamburger Instituts für Nahost-Studien Giga, das das Auswärtige Amt in Berlin berät. Das britische Nachrichtenportal "Middle East Eye" will den wahren Grund für die saudische Intervention im Jemen herausgefunden haben: die Gefährdung des Baus einer langjährig geplanten Ölpipeline durch den Jemen. Saudi-Arabien verschiffe seine Erdölexporte hauptsächlich von den am Persischen Golf gelegenen Häfen Ras al Ju’aymah und Ras Tanura sowie von Yanbu am Roten Meer. Über einen direkten Zugang zum Indischen Ozean verfügt Saudi-Arabien nicht, wodurch es von der Sicherheit der Meerenge zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Iran einerseits und der Meerenge Bab el-Mandab zwischen Jemen, Dschibouti und Eritrea abhängig ist. Dies solle sich laut einer von Wikileaks veröffentlichten Depesche und den Aussagen eines Mitglieds des niederländischen Außenministeriums bald ändern. Der Konflikt im Jemen, ein erneuter Krieg ums Öl?