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Von Kaiser Menelik II. zu Premierminister Meles Zenawi

Von Rudolf Agstner

Politik

100 Jahre nach dem Abschluss des Freundschaftsvertrages zwischen Österreich-Ungarn und Äthiopien und 40 Jahre nach Eröffnung von Österreichs Botschaft in Addis Abeba besucht Äthiopiens Premierminister Meles Zenawi Österreich. Der letzte hohe Gast war 1954 Kaiser Haile Selassie. Zenawis Anliegen ist es, die bilateralen Beziehungen im Bereich Handel, Investitionen und Tourismus zu vertiefen. Ein Investitionsschutzabkommen wird unterzeichnet.


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Der Sieg Kaiser Meneliks II. über Italien bei Adua 1896 brachte Äthiopien in das Blickfeld Europas. 1904 unternahm der Wiener Friedrich Julius Bieber eine Handels-Expedition an den äthiopischen Kaiserhof, 1905 folgte eine Mission unter Ludwig Ritter von Höhnel, die am 21. März 1905 in Addis Abeba zum Abschluss eines Freundschafts- und Handelsvertrages führte. Die Mission überbrachte als Geschenke u.a. ein Gebirgsgeschütz mit Munition, 12 Mannlicher-Carabiner mit 5000 Patronen, und viel Wein. Als Bieber 1909 wieder Äthiopien bereiste, war Österreich-Ungarn "weder diplomatisch noch auch nur durch einen Konsul vertreten... umso bedauerlicher, als die leitenden Kreise in Addis Abeba in Österreich einen uneigennützigen Freund erblicken, der durch keinerlei kolonialpolitische Aspirationen den Machtbereich Äthiopiens bedroht..."

Von Honorarkonsuln und Kanonen

1912 wurde der Karl Schwimmer zum k.u.k. Honorarkonsul in Addis Abeba bestellt. Er vermittelte 1914 den Verkauf um 1 Million € von 120 über 50 Jahre alte Festungsgeschützen durch das Kriegsministerium an Äthiopien. Von 1923 bis 1927 war der Journalist Dr. Erich Weinzinger Honorarkonsul; dieser hatte 1909 in Harrar semitische Sprachen studiert, wo er den Vizekönig Ras Tafari Makonnen, ab 1930 Kaiser Haile Selassie, kennenlernte. Im November 1936 anerkannte Österreich das italienische Imperium Äthiopien; Italien drängte auf Errichtung eines Konsulats in Addis Abeba, und stellte gleich einen Entwurf zur Verfügung. 1946 wurde Dr. Othmar Singer "ehrenamtlicher Korrespondent der Wirtschaftskammer für Abessinien". Die 1947 errichtete Gesandtschaft in Kairo nahm nach der am 23. Juli 1948 erfolgten Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Äthiopien diese wahr.

Kaiser Haile Selassie im November 1954 in Wien

Am 29. und 30. November 1954 besuchte Kaiser Haile Selassie Wien. Die "Wiener Zeitung" berichtete: "Wien stand im Zeichen des Kaiserbesuches. Schon die Tage zuvor hatte man im Kaffeehaus, beim Greißler und in der Elektrischen aus allen Gesprächen immer wieder den Namen "Haile Selassie" gehört." Der Kaiser besichtigte u.a. im Museum für Völkerkunde die neuaufgestellte Äthiopien-Sammlung und die Kaffa-Sammlung Biebers, den Stephansdom, die Nationalbibliothek "wo er auch äthiopische Manuskripte zu sehen bekam", einen Kindergarten, dem er 25.000 Schilling stiftete, und Schönbrunn, wo "zum erstenmal seit Jahrzehnten wiederum ein kaiserlicher Gast das ehemals kaiserliche Schloß betrat." Einem Ratshausbesuch - Bürgermeister Jonas erhielt 4000 Dollar "für die Armen Wiens" - folgte eine Stadtrundfahrt. Als Haile Selassie Wien verließ, hatte sich "dichtes Menschenspalier gebildet"; dem großzügigen Kaiser war eine gute Nachrede sicher.

Politisch hatte der Besuch keine Auswirkungen, er ließ aber die Errichtung einer Vertretungsbehörde in Addis Abeba wieder aktuell werden. 1956 wurde Dr. Singer zum Honorargeneralkonsul bestellt; es amtierte bis 1970.

1964: Österreichische Botschaft in Addis Abeba

1956 scheiterte Außenminister Figl im Ministerrat mit einem Antrag Figls auf Eröffnung einer Gesandtschaft in Addis Abeba - erst am 15. September 1964 beschloss dieser die Errichtung einer Botschaft. Dr. Paul Zedtwitz, erster österreichischer Botschafter in Äthiopien, überreichte am 10. Dezember 1964 Kaiser Haile Selassie sein Beglaubigungsschreiben. Äthiopien unterhält seit 1992 eine Botschaft in Wien.

Heute sind die Beziehungen zu Äthiopien mit den Namen Karlheinz Böhm, Gründer von "Menschen für Menschen" und seit 2003 Ehrenbürger Äthiopiens, sowie dem Anthropologen Univ. Prof. Dr. Horst Seidler verbunden, der seit 2000 Ausgrabungen zur Evolution des "homo sapiens" in Äthiopien unternimmt und Präsident der Österreichisch-Äthiopischen Gesellschaft ist, die sich der Renovierung der Paläste der Kaiser Johannes IV. in Mekelle und Menelik II. in Addis Abeba annimmt.