Rauchen in Lokalen: Die FPÖ besteht auf der geltenden Regelung, die ÖVP will das Verbot. Gelingt doch eine Einigung?
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Wien. Man handle das ganz einfach ab. "Ich geh ins Raucherkammerl, und Sebastian Kurz bleibt im Nichtraucherbereich", sagte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vor zwei Wochen auf die Frage, wie weit man denn beim Thema Rauchen in den Koalitionsverhandlungen sei. Doch der Scherz des blauen Chefverhandlers vermochte nur kurz zu kaschieren, dass das für Mai 2018 geplante totale Rauchverbot in Lokalen für die werdende schwarz-blaue Koalition in den Verhandlungen zu einem echten Stolperstein werden könnte. Denn während die ÖVP eher nicht von der noch in Zeiten der großen Koalition getroffenen Regelung abgehen möchte, macht die deklarierte Raucher-Partei FPÖ weiter Druck.
Vergangene Woche luden Gastronomen, überzeugte Raucher und die FPÖ-Spitze in ein Lokal in der Wiener Lichtenfelsgasse nahe dem Parlament, um sich kamerawirksam den Glimmstängeln hinzugeben und dabei wortreich die befürchteten negativen Konsequenzen des totalen Rauchverbots zu beklagen. Wenn erst das Rauchen in Lokalen gänzlich verboten sei, würde als Nächstes ein Verbot von Schnitzel und Alkohol folgen, mutmaßen manche Kritiker des Totalverbots. Für die FPÖ ist klar: Die derzeit geltende Regelung muss beibehalten werden.
Dabei ging es beim Beschluss des totalen Rauchverbots von SPÖ und ÖVP weniger um die Gäste. Vor allem die Arbeitnehmer in der Gastronomie hätten ebenso wie alle anderen Arbeitnehmer das Recht auf einen gesundheitlich unbedenklichen Arbeitsplatz, so damals die Argumentation der SPÖ. Gerade das ist in der aktuell geltenden, typisch-österreichischen Kompromisslösung eher nicht gegeben. Kleine Lokale mit einer Betriebsfläche von bis zu 50 m² können es sich aussuchen, ob sie Raucher- oder Nichtraucherlokal sein wollen. Zwischen 50 m² und 80 m² muss eine räumliche Trennung zwischen Rauchern und Nichtrauchern erfolgen, wenn dies baulich möglich ist und nicht etwa der Denkmalschutz Umbauten verunmöglicht.
Größere Lokale dürfen Raucherbereiche haben, müssen aber dafür sorgen, dass jene Stellen, wo sich das Personal hauptsächlich aufhält (also etwa der Schankbereich), rauchfreie Zone sind. In der Praxis war das nicht immer so. Für viele Angestellte in der Gastronomie hieß es weiter, sich dauerhaft dem gesundheitsschädlichen Passivrauch aussetzen zu müssen - und das bis zu zehn Stunden pro Schicht.
Tschocherl-Sterben befürchtet
Die Angst der Gastronomen andererseits ist bekannt: Man fürchtet massive Umsatzeinbußen durch eine Verlagerung der Freizeitaktivitäten der Gäste in den privaten Bereich. Als Beispiel für das "Wirtesterben" zeigen heimische Gastronomen gerne auf das benachbarte Bayern. Wie auch in Nordrhein-Westfalen und dem Saarland gilt dort in Lokalen ein totales Rauchverbot.
Seit dessen Einführung 2008 hätten vor allem in den Städten zahlreiche sogenannte "Boazn", die bayrischen Äquivalente zum Wiener "Tschocherl", wegen Gästemangel zusperren müssen. Auf dem privat betriebenen Blog "Bayrischer Kneipenfriedhof" verzeichnet eine Karte die bereits geschlossenen Spelunken, auch kann man geschlossene Lokale dort melden. Zwischen 3,5 und 8 Prozent dieser kleinen Gaststätten, die in städtischen Gebieten vielen als "verlängertes Wohnzimmer" und als sozialer Treffpunkt dienen würden, seien dann auch in Österreich vom Zusperren bedroht, sagt Mario Pulker, Obmann des Fachverbandes Gastronomie in der Wirtschaftskammer. Auch er beruft sich bei den Daten auf internationale Vergleichswerte.
Deutschland ist Vorletzter
Gleich mehrere Möglichkeiten, wie ein Kompromiss zwischen ÖVP und FPÖ aussehen könnte, zeigt das Beispiel Deutschland. Neben dem strengen Rauchverbot, das in Bayern gilt, gibt es in den übrigen deutschen Bundesländern Ausnahmeregelungen - und zwar meist solche, die genau auf die kleinen, meist von rauchenden Stammgästen frequentierten Lokale abzielt. In kleinen Ecklokalen darf meist weiter geraucht werden, in manchen Bundesländern darf geraucht werden, wenn keine warmen Speisen serviert werden.
Doch auch eine solche - neuerliche - Kompromisslösung lehnt die WKO ab. "Es darf keinen Wettbewerbsvorteil geben", sagt Pulker, der von Caféhäusern berichtete, in denen die Stammkundschaft einfach in nahe Lokale abwanderte, in denen geraucht werden darf. Aus gesundheitspolitischer Sicht machen die Ausnahme-Regelungen in Deutschland aber ebenfalls keinen schlanken Fuß. Eine 2017 von der Association of European Cancer Leagues veröffentlichte Studie reiht Deutschland bei der Wirksamkeit der Rauchverbote europaweit auf den vorletzten Platz - nur Österreich ist noch weiter hinten, nämlich am letzten Platz.
Auch, wenn die Regierungsverhandler einen Kompromiss erzielen könnten: Die Fronten bleiben wohl weiter verhärtet.