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Das österreichische Außenministerium sieht in Nigeria eine "sehr hohe Sicherheitsgefährdung" und gab daher am 14. Mai eine partielle Reisewarnung aus. Denn das Land ist von schweren ethnischen, religiösen und sozialen Konflikten zerrissen.
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Die Dreiteilung des Landes mit 250, anderen Zählungen zufolge über 400 verschiedenen Ethnien wurde bewusst unter britischer Kolonialherrschaft angelegt und wirkt sich bis heute aus. Die Briten teilten das Land in drei Provinzen, in eine nördliche und zwei südliche, auf. In religiösen und zivilrechtlichen Fragen wurde den örtlichen Herrschern ihre Freiheit belassen.
Daher behielten im muslimischen Norden die Emire ihren Einfluss, während der Süden christlich blieb. In 13 Provinzen des Nordens, der vom Volk der Hausa Fulani bewohnte wird, wurde im Jahr 1999 die Scharia, die strenge islamische Gerichtsbarkeit, eingeführt, was u.a. zu international kritisierten Steinigungsurteilen führte. Aber auch im von den Yoruba und den Igbos dominierten Süden mehren sich sektenähnliche Organisationen oder Evangelisten nach US-Vorbild, die eine Radikalisierung des Christentums bewirken.
Die "Heilsbringer" stoßen auf fruchtbaren Boden: Die Lebenserwartung liegt bei wenig mehr als 51 Jahren, die Menschen müssen mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Jahreseinkommen von 290 Dollar ihr Dasein fristen. Daher geht es ihnen vor allem um Zugang zu besserem Leben. So entzünden sich die Kämpfe, die in dem von 125 Millionen Menschen bevölkerten Land immer wieder zwischen Muslimen und Christen ausbrechen, denn auch meist an lebensnotwendigen Fragen wie dem Landbesitz.
Obwohl er als erster Machthaber christlicher Herkunft ist und dennoch gute Kontakte zu den Eliten des Nordens verfügt, hat Präsident Olusegun Obasanjo, der 1999 sein Amt antrat und 2003 unter fragwürdigen Umständen wieder gewählt wurde, an dem Blutvergießen nichts ändern können. Im Gegenteil: Vom Joch der Militärdiktatoren befreit, die die meisten Regime seit der 1960 ausgerufenen Unabhängigkeit bestimmten, brachen die Konflikte erst richtig aus. Allein in der Zentralprovinz Plateau, die drei Jahre im Ausnahmezustand war, sollen bei Pogromen und Unruhen zwischen Christen und Moslems rund 54.000 Menschen umgekommen sein.