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Beim Amateurverein FC Latinos spielen Wiener Fußballer aus vielen Nationen.
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Wien. "Christian! Das Licht!", ruft jemand und zeigt auf die noch dunklen Scheinwerfer, die das Spielfeld umgeben. Es ist ein lauer Samstagabend im Spätsommer und auf dem alten Gelände des Post-Sportvereins in Hernals beginnt es bereits zu dämmern.
Doch Christian Vizcardo ist überall und nirgendwo. Jetzt joggt er gerade zum Platzbesorger, einem älteren Mann, der gemächlich mit einem großen Schlüsselbund in der Hand zum Spielfeld schlendert. "Hallo, mein Freund", schreit er ihn an und: "Gib mir die Schlüssel, ich mach das!"
Dann eilt er in die Umkleidekabine, um Infomaterial zu holen. Auf dem Weg klopft er einem jungen Spieler auf den Rücken. "Du bist ein bisschen spät." "Nein, die anderen sind zu früh", entgegnet dieser. Die Scheinwerfer am Platz sind noch immer dunkel.
Sein neongrünes Trikot hat Vizcardo bereits an, doch er ruft seinen Kollegen zu, er werde heute erst bei der zweiten Halbzeit dabei sein. Christian Vizcardo möchte lieber mit der "Wiener Zeitung" ein bisschen über den FC Latinos sprechen, den Amateurverein, den er selbst vor zwei Jahren gegründet hat.
"Wenn ich am Feld stehe, ist der Tag vergessen"
Heute ist er Obmann, Manager und Faktotum in einer Person. Begonnen hat alles in einer Mannschaft, die nur aus Lateinamerikanern bestand, der "Union Latina". Die Idee war, einen eigenen Verein zu gründen, der zwar FC Latinos heißt, aber international sein sollte. "Wir wollten mehr Integration. Wir haben sogar Leute aus Tirol", lacht er und klopft dem Tiroler Matthias Rabl enthusiastisch auf den Rücken. "Der Unterschied zum Fußball in Tirol ist enorm", sagt dieser. "Bei den Südamerikanern geht es allein um die Technik, bei uns zählen eher Kampf und Einsatz."
Letztes Jahr sind die Latinos nach nur einem gemeinsamen Jahr bereits um eine Klasse aufgestiegen. Kapitän der Mannschaft ist der Barcelonese Pedro Soler. Der besonnene Unternehmensberater ist der Ruhepol der Mannschaft. Gerade schüttelt er Florent Molligaj die Hand. Der 20-jährige Kosovare erzählt, dass er heute von 6 bis 18 Uhr im Einzelhandel gearbeitet hat. "Und du hast noch Energie fürs Spiel? Toll!" lobt ihn Pedro Soler. "Wenn ich am Feld stehe, ist der Tag vergessen."
"Unser Obmann kennt viele Leute in verschiedenen Clubs", erzählt Soler weiter. "Er organisiert die Trainings und hat ein großes Netzwerk, eine richtige Datenbank an Wiener Fußballern." Mittlerweile spielen beim FC Latinos Hobbyfußballer aus vielen Ländern der Welt.
Peru, Chile, Kolumbien, Guinea, Spanien, Rumänien, Kosovo und Österreich sind vertreten. Und man versteht sich. "Man kann auf der ganzen Welt Fußball spielen", sagt der Torwart Peter Lindmaier. "Aber der Stil ist auf jeden Fall anders. Der Fußball der Südamerikaner ist sehr verspielt, nicht geradlinig, wie bei den Deutschen und Österreichern. Und das ist auch gut so, denn so gut sind wir Österreicher ja nicht", lacht er. Der 26-Jährige ist mit einer Brasilianerin verheiratet und liebt die lateinamerikanische Mentalität und die herzliche Atmosphäre beim Training. Was er auch schätzt, ist der "Riesenvorrat an Urlaubstipps", der durch so eine internationale Truppe entsteht.
Vom chilenischen Valparaiso nach Hernals
"Jeder bringt einen anderen Stil mit", sagt Francisco Valdivia. Der Chilene ist seit sieben Jahren in Österreich und kam über die lateinamerikanische Gemeinschaft in Wien zum FC Latinos. In seiner Heimatstadt Valparaíso hat er jeden Sonntag Straßenfußball gespielt. Heute kickt er in Hernals und sagt: "Wir Latinos sind besessen von Technik. Bah dagegen läuft viel." Bah heißt mit vollem Namen Bah Ahmad, ist 32 und stammt aus Guinea. Der FC Latinos trainierte in der Nähe seiner Wohnung und er fragte nach, ob noch Spieler gebraucht werden. "Erst hieß es nein, wir sind schon zu viele Leute. Aber ich habe gewartet. Dann war einer verletzt und ich war dabei. Jetzt ruft mich Christian immer an und sagt, ich soll kommen."
"Vamos muchachos!", ruft Christian Vizcardo jetzt und die Spieler laufen los. Pedro Soler ruft ihnen die Aufstellung zu. Jetzt sind alle konzentriert. Die Scheinwerfer gehen an und der Obmann strahlt.
Das nächste Spiel des FC Latinos findet am Samstag, den 13. 9. ab 18.30 Uhr auf dem Post Sportgelände in Hernals, Roggendorfgasse 2 statt.