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Lange hat es gedauert, und jetzt, als es endlich so weit ist, überrascht vor allem die betont nüchterne und geschäftsmäßige Art und Weise, wie Rot-Grün zum ersten Mal aus der Taufe gehoben wird. Keine Spur weder von den Schauermärchen der Gegner noch von den Träumereien der Befürworter.
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Das spricht für den Realitätssinn aller Beteiligten. Immerhin gehen mit SPÖ und Grünen zwei Verlierer der Wahl ein politisches Zweckbündnis ein, von dem sich beide taktische und strategische Vorteile erhoffen. Von einer Liebesheirat der weltanschaulichen Art kann keine Rede sein.
Michael Häupl hat erkannt, dass seine nach Jahrzehnten an der Macht ermattete Partei dringend neue Impulse braucht, um sich programmatisch wie strukturell zu erneuern. (Normalerweise treten Parteien zu diesem Zweck den Gang in die Opposition an.) Dazu sind die Grünen weit eher in der Lage als eine weitere Auflage der ewig gleichen rot-schwarzen Koalition.
Fast schon überlebensnotwendig ist das Bündnis mit der SPÖ für die Ökopartei. Das größte Defizit der Grünen ist es, dass sie außerhalb von Oberösterreich und einigen Städten nirgendwo regieren. Nur der breite Beweis ihrer Regierungsfähigkeit erhöht jedoch mittelfristig das Wählerpotenzial der Grünen. Anders als die FPÖ sind sie eine Partei mit strukturellem Gestaltungsanspruch.
Soweit die Chancen. Die Risiken im Falle eines Scheiterns von Rot-Grün sind um nichts geringer.
Natürlich ist für die SPÖ Rot-Grün Mittel zum Zweck, 2015 die absolute Mehrheit zurückzuerobern. Die Grünen arbeiten in der Regierung in die genaue Gegenrichtung, die Opposition übrigens, wenngleich mit anderen Mitteln, ebenso. Hierin liegt machtpolitischer Sprengstoff jenseits aller inhaltlichen Hürden zuhauf.
Häupl hat sich mit seinem für viele überraschenden Schwenk zu Rot-Grün einen Platz in den politischen Annalen gesichert. Auf die Euphorie des Neuen werden allerdings bald die Mühen des politischen Alltags warten. Da könnte Häupl allerdings schon seinen Ruhestand genießen. Wahrscheinlich wird man erst dann den Ausgang dieses Experiments beurteilen können, wenn in der SPÖ ein Neuer, eine Neue, das Ruder übernommen hat.