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Von Managern, Miezen und Moneten

Von WZ-Korrespondent Markus Kaufmann

Wirtschaft
In Politik und Wirtschaft spielt Geld eine entscheidende Rolle. illuscope

Unternehmerisch engagierte Politiker umstritten. | "Höchstens moralisches Problem". | Einflussmöglichkeiten sind groß. | Berlin. Ein gar köstlich maliziöses Beispiel für diplomatische Dolchstöße lieferte vor kurzem Russlands Ex-Präsident, Michail Gorbatschow. Um Deutschlands Altkanzler Gerhard Schröder scheinbar zu entlasten, der wegen seiner geplanten Kür zum Aufsichtsrats-Chef eines Gaspipeline-Konzerns ins Schussfeld der Kritik geraten ist, meinte Gorbatschow, er sehe keinen Grund, das zu verurteilen. Schröder sei doch jetzt ein freier Mann und dürfe machen, was er wolle.


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Wenn es überhaupt ein Problem für Schröder gebe, dann vielleicht eines der moralischen Art. Sagte es und fügte hinzu: "Ich habe alle Angebote, in die Wirtschaft zu gehen, abgelehnt." - Peng!

Nutzen aus politischen Aktionen ziehen?

Das ist genau des Pudels Kern: Darf ein Bundeskanzler, der sich als Regierungschef für den Bau einer Gas-Pipeline eingesetzt hat, unmittelbar nach seinem Rücktritt persönlichen wirtschaftlichen Nutzen aus seiner politischen Aktion ziehen? Der Privatmann Schröder auf einer mit geschätzten anderthalb Millionen Euro dotierten Position, die es ohne den Kanzler Schröder nicht gegeben hätte? Kein strafbarer Tatbestand, höchstens einer "der moralischen Art".

Die Grauzone zwischen Politik, Wirtschaft und Moral wurde in Deutschland in den vergangenen Wochen wie durch ein Blitzlicht-Gewitter erhellt. Ein ehemaliger deutscher Bundeskanzler als "Oligarch im Dienst des russischen Staatskapitalismus" (Michael Thumann in der "Zeit") hat nicht nur moralischen haut-gout, der Bau der Pipeline hat auch die Beziehungen der Bundesrepublik zum Nachbarn Polen und dem Baltikum nicht unerheblich belastet.

Größere und kleinere

Gefälligkeiten

Dass die Wirtschaft - vor allem die Lenker großer Konzerne - besonderes Interesse an der Wirtschaftspolitik entwickelt, ist legitim und nicht mehr als eine Binsenweisheit. Dabei ist die Palette der Einflussmöglichkeiten groß: Parteispenden, größere und kleinere Gefälligkeiten - vom Türkei-Urlaub bis zur Brillantuhr, von Tickets für teure VIP-Events bis zur Hochseeyacht -, Lobbyismus, Einschleusen von Vertrauensmännern in politische Gremien und umgekehrt Einbeziehung von Politikern in die Firmenleitung und in die Konzerngremien.

Umgekehrt schmücken sich Politiker gern mit ihren Kontakten zum Big Business: Angela Merkel berief Siemens-Chef Heinrich von Pierer zu ihrem "wirtschaftspolitischen Chefberater", er soll künftig einen "Rat für Innovation und Wachstum" leiten. Schröder, der "Genosse der Bosse", holte sich den Personalvorstand des Volkswagen-Konzerns, Hartz, in sein Berater-Team. Insgesamt unterhält die Bundesregierung derzeit 125 solcher Beiräte und Sachverständigenkommissionen mit ca. 2700 Personen, die sie fachlich beraten.

Mitunter sind selbst Politiker in ihren unternehmerischen Engagements nicht ganz erfolglos: Franz-Josef Strauß bei Airbus, Lothar Späth bei Jenaer.

Nicht immer sind die Grenzen zwischen beiden Feldern klar gezogen. Nun sind Medien freilich keine Staatsanwälte oder Richter. Doch was neuerdings über die Verflechtungen zwischen deutschem Spitzenmanagement und deutscher Politik zu hören und zu lesen ist, beschäftigt inzwischen sowohl Staatsanwälte als auch Richter und hat mit den preußischen Tugenden der Unbestechlichkeit und Sauberkeit nur noch wenig zu tun.

Dass Gerhard Schröder, ehemaliger Bundeskanzler und immer noch Bundestagsabgeordneter, ab Jänner das Züricher Verlagshaus Ringier "beraten" wird, scheint vergleichsweise harmlos. Für den größten Schweizer Verlag ist das sicher ein Gewinn. Für Schröder zwar kein finanzieller, aber immerhin zeitlicher Verlust, wollte er doch mit dem ihm eigenen Pathos "zu seinen Wurzeln als Anwalt zurückkehren und eine Autobiografie schreiben". Daraus wird wohl jetzt nichts. Von seinem neuen Büro in der Zürcher Dufourstraße kann Schröder auf das Haus der "Neuen Zürcher Zeitung" blicken, die sein Engagement eher trocken kommentiert: "Was für eine Kapitulation des Journalismus!" (NZZ, 2. 12. 2005).

Posten und Pöstchen für Ex-Politiker

Nicht immer haben es abgedankte Politiker auf dem angespannten Arbeitsmarkt so leicht. Der ungeachtet seiner 54 Jahre als "SPD-Jungstar" gehandelte Sigmar Gabriel zum Beispiel, der Anfang 2003 mit einem Minus von fast 15 Prozent das Amt des niedersächsischen Ministerpräsidenten vergeigte, hatte gerade noch einmal Glück: Seit über einem Monat verfügt er als Bundes-Umweltminister wieder über ein geregeltes Einkommen. Vor anderthalb Jahren soll er noch händeringend bei VW-Personalchef Peter Hartz um ein Pöstchen angesucht haben. Hatte er noch als Ministerpräsident und damit Aufsichtsratsmitglied bei VW den Vertrag von Hartz vorzeitig verlängert (um dessen Altersgrenze zu umgehen). Doch, so heißt es, habe VW-Boss Pischetsrieder einen Vollzeitjob für den Ex-Ministerpräsidenten abgelehnt. Dennoch ging Gabriel nicht ganz leer aus: Peter Hartz soll der Firma seines Parteifreundes Gabriel einen Beratungsauftrag über "Europäische Industriepolitik" zugeschanzt haben; Honorar im sechsstelligen Euro-Bereich. Gegen Gabriel ist inzwischen Strafanzeige erstattet worden. Vorwurf: Verschleierung einer illegalen Scheintätigkeit, Meineid und Verstoß gegen die Geschäftsordnung des niedersächsischen Landtags.

Die Strafanzeige richtet sich auch gegen VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch und selbst gegen Pischetsrieder. Ihnen wird Untreue zu Lasten von VW vorgeworfen: Der Versuch "der Bestechung und Korrumpierung" eines Politikers liege nahe.

Hartz im Schussfeld

öffentlicher Kritik

Als traurige Galionsfigur für die Grauzone zwischen Politik und Wirtschaft dient zurzeit Peter Hartz, bis vor kurzem VW-Personalvorstand. In den 90er Jahren erwarb er sich den Ruhm, durch unkonventionelle Arbeitszeit- und Lohnmodelle Konflikte zwischen der VW-Führung und der Belegschaft bzw. dem Personalrat zu vermeiden.

Hartz gilt als Erfinder der Viertage-Woche und des Beschäftigungsmodells "5000 mal 5000", einer raffinierten Unterwanderung des Tarifvertrages, der sich selbst die Gewerkschaften nicht entziehen konnten. Bei VW lernte er auch den damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten und Parteifreund Gerhard Schröder kennen, der ihn Anfang 2002 - nunmehr als Bundeskanzler - mit der Ausarbeitung eines Reformkonzeptes für den Arbeitsmarkt beauftragte. Der externe Sachverstand des mutigen Managers machte sich durchaus bezahlt. In mehreren Maßnahmenpaketen ("Hartz I bis IV") krempelte er die Arbeitsmarktverwaltung gründlich um, verbesserte deren Vermittlungstätigkeit, schuf "Job-Centers" anstelle verstaubter Ämter, führte ein Frühwarnsystem bei drohendem Jobverlust ein und sagte mit den "Ich-AGs" der Schwarzarbeit den Kampf an.

So lauter die Absichten gewesen sein mögen, so sehr geriet der Name "Hartz" ins Schussfeld öffentlicher Kritik: "Hartz IV", die Kürzung des Arbeitslosengeldes auf Sozialhilfeniveau, wurde zum Synonym für die soziale Kälte der Schröder-Regierung und führte letztlich zu deren Untergang. Doch damit nicht genug: Hartz geriet auch in den Strudel der VW-Affäre und trat nach anfänglichen Dementis zurück, besser gesagt in den vorzeitigen Ruhestand. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft auch gegen ihn.

Trotz aller Undurchschaubarkeit zeichnen sich in der VW-Affäre drei Segmente ab: Der Skandal um den ehemaligen Skoda-Chef Schuster, die Schmiergeld-, Lustreisen- und Sexparties-Affären rund um den VW-Betriebsratsvorsitzenden Volkert und die Gehaltszahlungen an SPD-Abgeordnete ohne entsprechende Gegenleistungen. Allesamt enge Vertraute von Hartz.

Inzwischen ist gerichtsnotorisch, dass zwei niedersächsische SPD-Landtagsabgeordnete 766.000 Euro an das Land abführen müssen, weil ihren Zahlungen von VW keine adäquaten Leistungen gegenüberstanden. Dennoch hat die zuständige Staatsanwaltschaft von strafrechtlicher Verfolgung Abstand genommen mit der beachtlichen Begründung, dass Gehaltszahlungen ohne Gegenleistung grundsätzlich zulässig seien, wenn sie den Interessen des Unternehmens und seiner Belegschaft "nicht schadeten".

Partys und Luxusreisen auf Firmenkosten

Gleichfalls im Zusammenhang mit der VW-Affäre beantragte die Staatsanwaltschaft im Oktober 2005 die Aufhebung der Immunität des niedersächsischen SPD-Landtagsabgeordneten Günter Lenz und des SPD-Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Uhl, um schlüpfrige Details von Partys, Barbesuchen und Luxusreisen auf Firmenkosten zu klären.

Deutschlands Manager bieten derzeit kein Bild moralischer Unantastbarkeit und Redlichkeit. Es überrascht also nicht, wenn marxistische Analytiker jüngst diagnostizierten: "Die Kapitalisten übernehmen ja nicht direkt die Regierung, sondern halten Kontakte zu Abgeordneten, zu Ministern, zur Regierung, schicken ihre Berater, bestechen das Parlament (z.B. durch Nebenjobs)..."

"Wozu eigentlich

Aufsichtsräte?"

Indes kommt die Kritik keineswegs nur von links. Selbst Unternehmer wie Wolfgang Grupp, Inhaber einer bedeutenden Textilfirma, führen beredte Klage: "Wenn Herren wie Reuter, Kirch, Haffa, Ron Sommer und viele mehr, Milliardenentscheidungen treffen können, dafür Millionen kassieren, ihre Milliardenverluste aber der Staat und damit der Steuerzahler bezahlen müssen, oder wenn wir uns berechtigt fragen, wozu eigentlich Aufsichtsräte notwendig sind, wenn sie ihrer Kontrollfunktion in Wirklichkeit gar nicht mehr nachkommen,... dann dürfen wir uns nicht über den schlechten Standort beklagen, sondern wir müssen uns fragen, mit was für Unternehmern, Managern, Politikern und Verantwortlichen wir es heute zu tun haben!"