Korruptes Geflecht aus Politik, Wirtschaft und Geheimdienst. | Putin soll 40 Mrd. Dollar besitzen. | Moskau/Wien. Erst kürzlich flog in Russland wieder ein Bestechungsskandal auf, in den hohe Regierungsbeamte verwickelt sind. Die Gruppe hatte von Toshiba und anderen Herstellern medizinischer Geräte für die Erteilung von Lieferaufträgen für russische Spitäler Schmiergelder erpresst. Ansonsten würden sie auf die schwarze Liste gesetzt, lautete die Drohung. Gegen einen hohen Kreml-Beamten und eine ehemalige Gesundheitsministerin wurde laut russischen Medienberichten ein Haftbefehl erteilt. Doch niemand glaubt, dass sie auch wirklich hinter Gitter wandern.
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Korruptionsaffären wie diese gehören in Russland zum täglichen politischen Geschäft. Sie sind Bagatellen im Vergleich zu den Milliarden Dollar, die jährlich bei staatlichen Großprojekten in die Taschen der Staatsdiener und deren mächtiger Verbündete fließen. Schätzungen zufolge rinnen jährlich drei Prozent des BIP in dunkle Kanäle.
Politik, Verwaltung, Geheimdienste und das organisierte Verbrechen sind in kaum einem Industriestaat so eng miteinander verflochten wie in Russland. Von der Regierungsspitze um Wladimir Putin wird dieses System gedeckt, weil sie kräftig mitnascht.
Putin selbst soll sich während seiner Präsidentschaft von 2000 bis 2008 mindestens 40 Milliarden Dollar heimlich auf die Seite geschafft haben. Sein Vermögen verberge sich hinter einem weit verzweigten Netz von Offshore-Scheinfirmen und Treuhändern, die in der Schweiz und Liechtenstein seine Wertpapiere und Aktien verwalten, ließ der russische Politexperte Stanilslaw Belkowski 2008 aufhorchen. Putin soll u.a. Anteile an den staatlichen Energieriesen Surgutneftegas und Gazprom halten.
Offiziell besitzt Putin hingegen gerade einmal eine kleine Wohnung in St. Petersburg, zwei alte Autos, eine Datscha und 100.000 Euro auf der Bank. Und eine 60-Meter-Yacht im Wert von 60 Millionen Dollar, die ihm angeblich der Oligarch Roman Abramowitsch schenken musste. Sie scheint in seiner Vermögensauflistung freilich ebenfalls nicht auf.
Vor fatalen Langzeitfolgen des heillosen Geflechts aus politischer und Wirtschaftskriminalität gewarnt hatten bislang nur die russische Opposition und - wenngleich verhaltener - auch Präsident Dmitri Medwedew. Die westlichen Diplomatie schweigt sich dazu öffentlich aus - man braucht Russland als Energielieferanten und strategischen Partner. Doch in Geheimdepeschen, die Wiki leaks jüngst veröffentlicht hat, malen westliche Diplomaten ein wenig schmeichelhaftes Bild von Putins Russland. So skizzierte der US-Botschafter in Moskau, John Beyrle, Russland als einen mafiösen Staat, von dessen Führung man wenig erwarten könne.
Die Zukunft sieht Beyrle skeptisch. Es gebe kaum Hoffnung auf eine Veränderung, so der Diplomat. Den Kreml bezeichnet er laut "New York Times" als "Zentrum einer Konstellation offizieller und quasioffizieller Gaunereien". Russland sei "stark zentralisiert, manchmal brutal und unabänderlich zynisch und korrupt"; Moskau eine Stadt der Kleptokratie. Kriminelle stünden de facto unter dem Schutz der Sicherheitsbehörden, der Geheimdienste und der Staatsanwaltschaft.
Von einem "Quasi-Mafia-Staat" spricht der britischen Zeitung "Guardian" zufolge auch der spanische Staatsanwalt Jose Gonzales. Mit den Worten, die russische Mafia erledige "für die Regierung die Dreckarbeit", wird an anderer Stelle ein westlicher Diplomat in dem Blatt zitiert. Dazu passt eine ebenfalls von dem Blatt unter Verweis auf Wikileaks angeführte Mitteilung, wonach Putin auch von den Mordplänen an dem russischen Ex-Spion Alexander Litwinenko wusste, der 2006 in London von russischen Geheimdienstbeamten mit einer tödlichen Dosis der radioaktiven Substanz Polonium vergiftet worden war.