Italien möchte Fußball-Hooligans EU-weit aus den Stadien verbannen. Ebenfalls einheitlich will die Ratspräsidentschaft die Pensionssysteme und die Flüchtlingspolitik verschärft haben. Den Eindruck, Italien wolle die Lösung heikler Probleme auf die europäische Ebene verlagern, hat Regierungschef und EU-Vorsitzender Silvio Berlusconi zurückgewiesen.
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Jedes EU-Vorsitzland versucht, der sechsmonatigen Ratspräsidentschaft seinen Stempel aufzudrücken. So kommt es, dass die "Nordische Dimension" Skandinaviens, der "Barcelona-Prozess" mit den Mittelmeer-Staaten oder die Spanien am Herzen liegenden Beziehungen zu Lateinamerika für ein halbes Jahr zu hochrangigen Europa-Fragen mutieren.
Dem Medientycoon, reichsten Mann Italiens, Premier und EU-Ratsvorsitzenden Berlusconi gehört der Fußballclub AC Milan. Ob jedoch eine Frage wie die Hooligans, die neben Italien auch Großbritannien, Deutschland und die Niederlande betrifft, auf die EU-Ebene verlagert werden muss, wird angezweifelt. "Man muss sich fragen, ob eine derartige Angelegenheit für einen EU-Ministerratsbeschluss geeignet ist", gibt Tony Bunyan von der britischen Menschenrechtsorganisation Statewatch zu bedenken. Italiens Vorschlägen zufolge sollen die EU-Staaten Informationen über gewalttätige Hooligans austauschen. Umstritten ist dabei nicht nur, ob Straf- oder Zivilrecht angewendet wird. Die Regelung müsste auch von den Mitgliedstaaten übernommen werden, in denen kein derartiges Verbot in Kraft ist. Die EU-Minister sollen sich im Herbst damit befassen.
Zur Verschärfung der Flüchtlingspolitik sieht ein Plan Italiens vor, illegale Einwanderer künftig in gemeinsam organisierten Charterflügen abzuschieben. Illegale sollen in Zügen oder Bussen mit Polizeibewachung außerhalb der EU-Grenzen gebracht werden. Die Vorschläge haben größere Chancen, realisiert zu werden: Irland sieht sich ebenso wie Italien mit Flüchtlingsströmen - allerdings geringeren Ausmaßes - konfrontiert und übernimmt im Jänner 2004 die EU-Ratspräsidentschaft.
In Sachen Pensionsreform
hatte Berlusconi verbindliche EU-Grenzwerte etwa bezüglich des Anteils der Rentenausgaben am Bruttoinlandsprodukt angeregt. Arbeitsminister Roberto Maroni gab jedoch zu, dass die soziale Vielfältigkeit der EU-Mitglieder berücksichtigt werden müsse. Um das Wirtschaftswachstum in den - bei den Ausgaben auf der Bremse stehenden - EU-Staaten anzukurbeln, setzt Italien auf die Finanzierung von Infrastrukturprojekten durch Kredite bei der Europäischen Investitionsbank. Die innenpolitischen Probleme kann Italien jedoch kaum an Europa delegieren.