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Von Russland gekauft

Von Karl Leban

Politik

Die Spionageaffäre im Bundesheer droht, die Beziehungen zu Moskau zu belasten.


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Wien. Ein Spionageskandal beim Bundesheer erschüttert die Republik: Ein mittlerweile pensionierter Oberst soll über Jahrzehnte - seit den 1990er Jahren - sensible Informationen an Russland weitergegeben und dafür gut 300.000 Euro kassiert haben. Laut "Krone" sollen darunter vertrauliche Fakten zur Luftwaffe und Artillerie der hiesigen Streitkräfte gewesen sein, aber auch Persönlichkeitsprofile hochrangiger Offiziere und Berichte über die Migrationssituation in Österreich. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Aufgeflogen ist der Fall, der diplomatisch viel Staub aufwirbelt (zumal Österreich trotz EU-Sanktionen bisher ja als Freund Russlands galt), nach Hinweisen eines ausländischen Nachrichtendienstes, angeblich des deutschen. Wie Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) am Freitag in einer Pressekonferenz mit Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erklärte, habe das Abwehramt dann die Identität des Betroffenen herausgefunden und ihn verhört. Der pensionierte Offizier habe auch Geräte wie seinen Laptop übergeben, die derzeit ausgewertet werden. Ihm drohen bis zu zwei Jahre Haft.

"Sehr aktiv in der Ausspähung von Westeuropa"

Dass selbst das kleine Österreich Objekt für russische Spionage-Aktivitäten ist, kommt für den Militärexperten Gerald Karner keineswegs überraschend: "Russland ist sehr aktiv in der Ausspähung von Westeuropa." Der jetzige Fall füge sich auch in das jüngste Bild, wonach es aus mehreren Ländern - etwa aus England, der Slowakei oder den USA - Vorwürfe von Cyberangriffen und Spionage gegen Moskau gibt. Somit sei der aktuelle Fall in Österreich auch "kein Einzelfall".

Zu den Motiven für das Ausspionieren erklärte Karner, dass es den Russen grundsätzlich darum gehe, alle möglichen Informationen zu sammeln, selbst scheinbar unwichtige, um sie im Fall einer militärischen Konfrontation nutzen zu können. Karner fragt sich in diesem Zusammenhang auch, ob das, was von den an Russland verkauften Informationen medial bisher bekannt ist, "wirklich alles" sein soll. Bundesheer-Sprecher Michael Bauer sagte dazu lediglich: "Er (der pensionierte Offizier, Anm.) hat viel zugegeben." Laut Bauer soll für die Russen mit Blick auf das österreichische Bundesheer jedenfalls "alles interessant" gewesen sein.

Indes erklärte Karner zu jenem Geldbetrag von mehr als 300.000 Euro, den der aus Salzburg stammende Oberst in all den Jahren in Summe in seine Tasche gesteckt haben soll: "Das erscheint mir nicht viel." Karner vermutet, dass dies an der "Qualität der Informationen" liegt. Über deren Brisanz herrscht noch Unklarheit.

Russlands Außenminister weist Vorwürfe zurück

Kanzler Kurz betonte am Freitag, Spionage sei "inakzeptabel". Sollte sich der Verdacht bestätigen, wovon man aufgrund der Umstände ausgehen könne, werde dies "das Verhältnis zwischen Russland und der Europäischen Union nicht verbessern".

Im Moment verlange man von russischer Seite "transparente Information", unterstrich Kurz. Alles Weitere werde man mit den europäischen Partnern gemeinsam beraten. Von einer Ausweisung russischer Diplomaten aus Österreich wollte der Kanzler am Freitag noch nicht sprechen.

Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) zitierte am Freitag den russischen Geschäftsträger in Österreich, Igor Nikitin, ins Außenministerium und sagte gleichzeitig ihre für Anfang Dezember geplante Reise nach Russland ab. Kneissl teilte der Austria Presse Agentur ihre Befürchtung mit, dass der Fall den Beziehungen mit Moskau schaden könnte. "Sollten sich die jetzt vorliegenden Verdachtsmomente bestätigen, würde dies eine schwerwiegende Belastung für die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Russland darstellen."

Verteidigungsminister Kunasek zeigte sich in der Pressekonferenz mit Kurz empört. Die Causa zeige, "dass es auch nach Ende des Kalten Krieges Spionage gibt", man müsse nun das Sicherheitsnetz in Österreich, aber auch innerhalb des Verteidigungsressorts "noch enger schnüren".

Der russische Außenminister Sergej Lawrow wies die Vorwürfe aus Österreich zurück. "Wir werden beschuldigt und es gibt Aufforderungen, dass wir uns für eine Sache entschuldigen, von der wir nichts wissen", zitierte ihn die Nachrichtenagentur Interfax. Der Minister gab sich vor Journalisten in Moskau "unangenehm überrascht" über den Fall. Russland werde Österreichs Botschafter Johannes Eigner erklären, wie Wien sich verhalten sollte, wenn es Fragen an die Russische Föderation hat. Eigner ist am Freitag in das russische Außenamt zitiert worden.