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Von Schwertern zu Pflugscharen

Von Daniel Jahn,Washington

Wirtschaft

Seit Monaten arbeitet Paul Wolfowitz an seinem Imagewandel: Aus dem Falken soll eine Taube werden. Die Beseitigung der Diktaturen in der Welt sei "nicht in erster Linie eine Aufgabe der Waffen", betonte der bisherige zweite Mann im Pentagon unlängst in einer Rede. Afghanistan und Irak seien "Ausnahmen" gewesen, und würden es hoffentlich auch bleiben.


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Heute, Mittwoch, tritt der 61-Jährige nun sein neues Amt als Chef der Weltbank an. Und auch wenn sich der weltweite Wirbelsturm der Entrüstung um seine Nominierung zuletzt etwas gelegt hat, wird Wolfowitz noch viel Überzeugungsarbeit in eigener Sache leisten müssen. Viele Kritiker sehen ihn ihm weiter vor allem den Kriegstreiber, der mit seinem Plädoyer gegen Saddam Hussein der Invasion im Irak von früh an den Boden bereitete.

Wolfowitz übernimmt als Nachfolger von James Wolfensohn die Führung einer der finanzstärksten Entwicklungsinstitutionen der Welt. Im vergangenen Jahr vergab die Weltbank rund 20 Mrd. Dollar (16,0 Mrd. Euro) für 245 Projekte rund um den Globus. Die Amtsübernahme durch den bisherigen Vizeverteidigungsminister hat Sorgen ausgelöst, US-Präsident George W. Bush könne versuchen, die Weltbank zum Instrument seiner Außenpolitik umzufunktionieren.

Um derartige Befürchtungen zu zerstreuen, hat Wolfowitz sich bereits mehrmals dezidiert zum multilateralen Charakter der Bank bekannt: Er sei allen ihren 184 Mitgliedstaaten verantwortlich; die Ansichten der USA seien für seinen Job zwar "nicht irrelevant", aber nur "eine Stimme unter vielen".

Auch legte der Mathematiker und Politologe ein Bekenntnis zur Armutsbekämpfung als Kernauftrag der Weltbank ab. Er glaube "tief" an diese "noble Mission" der Bank. Nichts sei zufriedenstellender, "als Menschen in Not helfen zu können".

Wolfowitz kündigte zudem an, er wolle einen Schwerpunkt auf Afrika legen. Um diesen Kontinent am globalen Fortschritt teilhaben zu lassen, sei neben verstärkten Finanzhilfen ein rigoroses Vorgehen gegen die Korruption und eine stärkere Öffnung der lokalen Märkte erforderlich. Noch im Juni will Wolfowitz nach Afrika reisen.

So richtig in das Klischee des "Falken" hat Wolfowitz auch als Stellvertreter von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gleichwohl nie gepasst. Brandreden sind nicht sein Ding, stattdessen argumentiert der Professor in mildem Ton und geschliffenen Wendungen. Den Mitarbeitern der Weltbank stellt er sich mit einem offenen "Hi, ich bin Paul Wolfowitz. Und Sie?" vor. Der Sohn eines nach dem Ersten Weltkrieg aus Polen in die USA emigrierten jüdischen Mathematikers wurde in seiner Weltsicht tief durch den Holocaust geprägt, in dem die gesamte Familie seines Vaters getötet wurde.

In der Entwicklungsarbeit hat Wolfowitz allerdings bislang nur relativ wenige Erfahrungen gesammelt. Immerhin war er in den achtziger Jahren mehrere Jahre Botschafter der Vereinigten Staaten in Indonesien.

Zudem dürfte Wolfowitz bereits über erhebliches Insiderwissen über die Weltbank verfügen. Der dreifache Vater, der seit einigen Jahren in Trennung von seiner Ehefrau lebt, ist mit der Weltbank-Managerin Shaha Ali Riza liiert. Die in Tunesien geborene und in Saudi-Arabien aufgewachsene Moslemin ist für die Kontakte der Bank in den Nahen Osten und nach Nordafrika zuständig. AFP