Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird immer wieder mit komplexen Auslegungsfragen befasst - dieses Mal geht es um die Definition von "Geflügel".
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In seinen Urteilen über die Auslegung von Begriffen, die in EU-Rechtsnormen verwendet werden, hält sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) nicht immer an die strengen Regeln der juristischen Interpretation.
Stattdessen legt er die Begriffe öfters allein teleologisch-final im Sinne der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Gemeinschaftsrechts aus - ohne dabei aber zuvor die jeweilige "Wortlautschranke" geprüft zu haben.
Im Gegensatz dazu bemühen sich die Generalanwälte beim EuGH, in ihren tiefgründigeren Schlussanträgen methodisch subtiler vorzugehen. Der Schlussantrag des Generalanwalts Paolo Mengozzi vom 6. November 2008 in der Rechtssache C-473/07 stellt dafür ein gutes Beispiel dar.
Im gegenständlichen Vorabentscheidungsersuchen, das vom französischen Conseil d´État angestrengt wurde, ging es um die Frage, ob Wachteln, Rebhühner und Tauben als "Geflügel" anzusehen sind, das unter die Richtlinie 96/61/EG des Rates über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung fällt.
Im Gegensatz zu einer Reihe anderer gemeinschaftsrechtlicher Rechtsakte in den Bereichen Tierseuchenrecht und Umweltschutz, die eine entsprechende Umschreibung des Geflügelbegriffs enthalten, definiert die Richtlinie 96/61/EG den Begriff "Geflügel" (bewusst) nicht näher. Sie sieht zwar ein Verfahren der vorherigen Genehmigung für Anlagen zur Intensivhaltung oder -aufzucht von Geflügel mit mehr als 40.000 Plätzen vor, ohne dieses aber auch nur ansatzweise näher zu determinieren.
Definition nach Lexikon
Was nun die Auslegung des Begriffs "Geflügel" betrifft, so erkennt Generalanwalt Mengozzi zunächst richtigerweise, dass es sich dabei um einen Gattungsbegriff handelt, der in seiner gewöhnlichen Bedeutung "alle Vögel bezeichnet, deren Aufzucht und Haltung im Hinblick auf ihre Eier oder ihr Fleisch erfolgt".
Nach dieser lexikalischen Feststellung prüft er, ob auch Wachteln, Rebhühner und Tauben nach Ziel und Zweck der Richtlinie 96/61/EG unter den Begriff "Geflügel" fallen.
Dabei plädiert Mengozzi für eine weite Auslegung. Denn Sinn und Zweck der Richtlinie 96/61/EG besteht darin, die vom Kot von Geflügel in Massentierhaltung in die Umwelt abgegebene Stickstoffmenge unter einem gewissen Schwellenwert zu halten.
Daher wäre es seines Erachtens nicht konsequent, den Geflügelbegriff so eng auszulegen, dass bestimmte Kategorien industrieller Anlagen zur Intensivhaltung von Wachteln, Rebhühnern und Tauben nicht unter die Bewilligungspflicht fielen.
Es sollen eben alle Anlagen zur Intensivhaltung von "Geflügel" im weiteren Sinn einer vorgängigen Bewilligungspflicht unterstellt werden, um damit eine integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sicherzustellen.
Tiefgründige Überlegung
Zwei Dinge sind am gegenständlichen Schlussantrag von Mengozzi bemerkenswert: Erstens eruiert er zunächst die gewöhnliche Wortbedeutung des Gattungsbegriffs "Geflügel", bevor er eine teleologisch-finale Auslegung versucht. Zweitens übernimmt er auch nicht die gemeinschaftsrechtlich durchaus vorhandenen Definitionen von "Geflügel" in anderen gemeinschaftsrechtlichen Regelungsbereichen für den gegenständlichen Fall der Intensivhaltung von Geflügel. Damit beachtet er korrekterweise den Kontext der speziellen Begriffsverwendung.
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