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Paris streikt gegen mehr Gleichheit, Österreich ermöglicht neue Privilegien.
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Liberté, Égalité, Fraternité: Mit dem Versprechen von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit stürzten die Pariser Bürger 1789 das Ancien Régime. Heute haben wir immerhin die Gewissheit, dass keine dieser drei Verheißungen uns einfach so in den Schoß fällt. Was als Schlagwort keiner großen Erklärungen bedarf, wird nämlich, wenn es ganz konkret wird, ungemein kompliziert und ambivalent.
Nehmen wir die Sache mit der Gleichheit: Mit dieser Idee geht der Mensch schon seit mehr als 2500 Jahren schwanger, von einer faktischen Gleichstellung sind wir allerdings auch jenseits von Talenten, Geschlecht, Herkunft und Sozialisierung und trotz verfassungsrechtlicher Verankerung des Gleichheitsgrundsatzes noch immer ein gutes Stück entfernt.
Wie vertrackt die politische Debatte verläuft, illustrierte in seltener Gleichzeitigkeit des Gegenläufigen der Donnerstag: Während Frankreich von einer Streikkampagne lahmgelegt wurde, die sich gegen die geplanten Pensionsreformen von Präsident Emmanuel Macron richtete, der die teuren und teils jahrhundertealten Pensionsprivilegien bestimmter Berufsgruppen durch ein einheitliches, also egalitäres Pensionssystem ersetzen möchte, sorgte in Österreich die Nachricht für Schlagzeilen, dass Mitarbeiter der Sozialversicherung besonders früh und mit besonders günstigen Bedingungen in die Pension gehen können. Dabei ist es noch nicht lange her, dass die vorangegangene Regierung für normalsterbliche ASVG-Versicherte den Zugang zur Altersteilzeit weiter verschärft hat.
Auf den Schlachtfeldern der Pensionssysteme zählt die Idee der Gleichheit der Bürger verlässlich zu den ersten Opfern. Es ist dies eine politisch erstaunlich widerstandsfähige Bastion von Standesprivilegien, die linken und rechten wie liberalen Kampfansagen erfolgreich die Stirn bieten. Und dies verlässlich mit Billigung jener meist schweigenden Mehrheit der Jungen und jener Pensionsversicherten, die ohne privilegierte Sonderregelungen ihren Ruhestand verbringen müssen.
Diese Haltung lässt sich mit "lieber nur wenige Nutznießer als gar keine" durchaus treffend zusammenfassen. Rational ist das nicht, aber Rationalität wird in der Politik generell überschätzt. Auch und vor allem in der Pensionspolitik.
Das ist natürlich polemisch, und noch mehr, wenn am Ende einer egalitären Reform ein Pensionssystem steht, das zu vielen Menschen kein finanzielles Auskommen im Alter sichert. Schlag nach bei Deutschland.
Es anders zu machen und trotzdem jeden Versicherten wenigstens annähernd gleich zu behandeln, erweist sich derzeit als eine zu hohe Hürde für die Politik.