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Von wegen Einsamkeit über den Wolken

Von Werner Stanzl

Gastkommentare
Werner Stanzl ist Publizist und Dokumentarfilmer.

Unfassbare 30.000 Kurzstreckenflüge täglich verpesten Europas Himmel. Der Unfug mit der Grenzenlosigkeit schreit nach Grenzen.


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Wenn auf den Rollbahnen des Flughafens Frankfurt die Positionslotsen streiken und Flüge ausfallen, stöhnen in ganz Europa zierliche Vorzimmerdamen beim Umbuchen für die Bosse, verlieren Pensionisten Haltung, weil ihre Flüge ans Rote Meer oder nach Izmir nachgereiht werden müssen, zürnen Gestrandete in den Passagen des FraPorts. Dabei müsste eine der ersten Amtshandlungen Joachim Gaucks als neuer deutscher Bundespräsident sein, den Arbeitsverweigerern den höchsten Orden für Verdienste um die Umwelt an die Brust zu stecken. Die Ausfallsliste hat nämlich in Erinnerung gerufen, dass täglich an die 30.000 Flüge täglich zwischen Wolga und Themse hin und her hüpfen, nur damit ganz, halb und gar nicht Wichtige schneller ans Ziel kommen. Der dadurch verursachte Umweltschaden hat apokalyptische Dimensionen.

So besehen war es eine Katastrophe, dass die Brüder Wright bereits im 19. Jahrhundert erste Erfolge hatten. Alles Fliegen zeitverschoben um vielleicht 50 Jahre - und Europa wäre nicht von einem Dickicht aus Straßen und Autobahnen, sondern Bahntrassen überzogen worden. Mit Tempo 300 per Bahn durch Europa schon 1930 wäre es zu dieser Fehlentwicklung gar nicht erst gekommen. Welch ein Wahnsinn es ist, zum Beispiel Wien-Frankfurt zu fliegen, statt die Bahn zu nehmen, zeigen Werte, die auf Anfrage von Umweltexperten berechnet wurden.

Vergleich Energieverbrauch, berechnet in Liter Benzin als Einheit: Bahn 12,2 Liter, Flugzeug 47 Liter; Vergleich Treibhausgasemissionen: Bahn 18,0 Kilo, Flugzeug 100,9 kg; Vergleich Feinstaub: Bahn 1,3 Gramm, Flugzeug 7,4 Gramm.

Übrigens ist das Verhältnis viel krasser bei Fluggästen der 1. Klasse. Deren viel schwererer Sitz und das vergrößerte Raumangebot belasten die Umwelt weitaus schlimmer. Die Fluglinien sollten daher verpflichtet sein, den Großteil des Mehrerlöses an einen Umweltfonds weiterzuleiten, der Nichtfliegern zugutekommt. Noch besser wäre, 1. Klassen überhaupt abzuschaffen und den Vielfliegerbonus nach dem Verursacherprinzip in einen Vielfliegermalus umzuwandeln, der kostenmäßig entsprechend zu Buche schlüge.

Doch geht das alles so lange an der Realität vorbei, als ein Gutteil europäischer Bahnlinien betreffs Komfortangebot, Fahrtdauer und Zuverlässigkeit auf österreichischem Niveau auftreten. So fährt man neuerdings Wien-Villach nicht mehr in fünf Stunden über den Semmering (368 Bahnkilometer für 46,80 Euro) sondern in sechs Stunden durch die Tauern über Salzburg und Linz. In der gleichen Zeit fahren die französischen Staatsbahnen Saarbücken-Paris (394 Bahnkilometer für 29 Euro) viermal oder zweimal tour-retour.

Womit wir wieder beim designierten deutschen Bundespräsidenten sind. Es mag vielfach verwundert haben, dass die Partei Die Linke als Ossi-Partei gegen den Ossi Gauk brummte: Er rede bloß von Freiheit und lasse das Soziale weg. Die Kritik ist durchaus angebracht, wenn mit Freiheit gemeint ist, dass die Reichen sich erlauben dürfen, zügellos die Himmel zu vergiften, um irgendwo Golf zu spielen oder eine Yacht zu besteigen.