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Von wegen Transparenz

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft

Die Aussagekraft von Gehaltsangaben in Stelleninseraten hat sich seit dem Vorjahr verschlechtert.


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Wien. Mit dem Chef über eine Gehaltserhöhung verhandeln - das ist für die meisten Frauen so unangenehm wie ein Zahnarztbesuch. Deshalb sprechen sie ihre Vorgesetzten auch weniger häufig darauf an. Männer betrachten
das Pokern um mehr Lohn eher als sportliche Herausforderung und gehen forscher an die Sache heran, weiß Melanie Luger,
Coach und Arbeitspsychologin aus Wien.

Auch in Bewerbungsgesprächen geizen Männer in der Regel nicht mit falscher Bescheidenheit, während Bewerberinnen ihr Licht oft unter den Scheffel stellen und sich unter ihrem Wert verkaufen. Dass sich noch immer Arbeitgeber die verpflichtenden Gehaltsangaben in ihren Stelleninseraten schenken, macht die Sache auch nicht leichter.

Seit 1. März 2013 sind hierzulande in Jobinseraten "das für
den ausgeschriebenen Arbeitsplatz geltende kollektivvertragliche oder das durch Gesetz oder andere Normen der kollektiven Rechtsgestaltung geltende Mindestentgelt anzugeben und auf die Bereitschaft zur Überzahlung hinzuweisen, wenn eine solche besteht". So steht es in Paragraf 23 Absatz 2 des Gleichbehandlungsgesetzes (GlBG). Ziel ist, dass sich die Einkommensschere zwischen Männer- und Frauengehältern verringert.

Die Arbeiterkammer (AK) hat zum dritten Mal die Gehaltsangaben bei Stelleninseraten überprüft. Untersucht wurden die Samstag-Ausgaben von vier großen Tageszeitungen im Februar und März 2014 sowie 557 Inserate von vier Internet-Jobbörsen.

Noch immer halten sich 13 Prozent der Betriebe bezüglich des Gehalts bedeckt. Der Großteil - 87 Prozent - hält sich zwar an die gesetzlichen Bestimmungen zur Gehaltstransparenz, die Aussagekraft der Gehaltsangaben hat sich jedoch seit dem vergangenen Jahr insgesamt verschlechtert, moniert Ingrid Moritz, Leiterin der Abteilung "Frauen - Familie" in der AK Wien: "Es ist keine echte Einkommenstransparenz gegeben."

Nur den gesetzlichen Erfordernissen Genüge zu tun und das kollektivvertragliche Mindestgehalt mit der Bereitschaft zur Überzahlung anzugeben, reiche nicht aus, um Jobsuchenden eine Orientierung über die zu erwartende Entlohnung zu geben. Die Arbeiterkammer fordert im Sinne von echter Einkommenstransparenz, dass in Stelleninseraten das Ist-Gehalt beziehungsweise eine Bandbreite der möglichen Bezahlung steht.

Weniger Angaben zu Ist-Gehältern

Von dieser Möglichkeit machten Unternehmen schon im Vorjahr vorbildlich Gebrauch, heuer waren es aber wieder weniger: Der Anteil der Inserate mit Informationen zu Ist-Gehalt oder Bandbreite ist in Tageszeitungen von 54 Prozent auf 38 Prozent zurückgegangen. "Besonders kritisch ist zu werten, dass Großbetriebe mit mehr als 500 Beschäftigten nur zu 21 Prozent das Ist-Gehalt ausweisen. 2013 waren es noch 39 Prozent", so Moritz. Etwas besser sieht die Qualität im Bereich der Onlinebörsen aus, wo zumindest 45 Prozent Ist-Angaben machen. Insgesamt (Tageszeitungen und Onlinebörsen) ist der Anteil der Inserate mit Ist-Gehaltsangaben von 48 auf 40 Prozent zurückgegangen.

Auch Melanie Luger findet, dass Hinweise auf den Kollektivvertrag in Stellenanzeigen zu kurz greifen und die Angabe von Bandbreiten mehr Sinn macht. Skeptisch ist die ehemalige Personalmanagerin, die jahrelang auf der Arbeitgeberseite tätig war, hinsichtlich der Veröffentlichung von Ist-Gehältern in Stelleninseraten. So werde etwa Berufserfahrung hoch eingeschätzt und auch entsprechend honoriert, doch für die Entscheidung, ob jemand den Job bekommt oder nicht, seien die Jahre nicht immer ausschlaggebend. Luger: "Schlussendlich wird es an der Person liegen, und wie sie sich präsentiert."

Gerade hier haben Frauen eine Schwachstelle. Das Gefühl, "sich verkaufen" zu müssen, bereitet ihnen Unbehagen, ebenso wie die Vorstellung, über Geld zu reden. In Workshops und Seminaren kann gezielt für das Bewerbungs- oder Gehaltsverhandlungsgespräch geübt werden.

Sollen also Frauen Gehaltscoachings besuchen, um besser verhandeln zu lernen? "Das kann’s nicht sein", meint AK-Expertin Ingrid Moritz. Sie verweist auf eine OGH-Entscheidung vom 20. Mai 1998 (OGH 9 ObA 350/97d). Mit dem Argument, "die Frau habe nicht mehr Entgelt verlangt", könne ein Arbeitgeber eine Entgeltdiskriminierung nicht rechtfertigen. Da es primär und in der Regel der Arbeitgeber sei, der die Leistungen seiner ArbeitnehmerInnen beurteilen könne und die Höhe der jeweiligen Entlohnung kenne, wäre er verpflichtet, die ungleiche Entlohnung zu beseitigen.