Zum Hauptinhalt springen

Von welchen Verbrechen wir erfahren . . .

Von Nina Flori

Politik
© Ch. Liebentritt

Die Polizei veröffentlich nicht alle Verbrechen, die begangen werden. Manfred Reinthaler, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit in Wien, erklärt, warum.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Wiener Zeitung":Nach welchen Kriterien wird entschieden, ob eine Straftat veröffentlicht wird ?Manfred Reinthaler: Wir veröffentlichen Dinge, die spektakulär sind, die die Bevölkerung interessieren und die Präventionscharakter haben. Wenn es Phänomene gibt, die neu sind oder die immer wieder auftauchen, etwa der Neffentrick, dann informieren wir die Menschen wie sie sich schützen können.

Was gilt als spektakulär?

Morde, Raubüberfälle und diese Dinge, die auf öffentlicher Straße stattfinden. Da es sich dabei, um Straftaten handelt, die in ihrer Intensität die Bevölkerung interessieren. Wenn wir in Wien gewisse Hotspots haben, wie etwa entlang der U6, dann haben wir die Verpflichtung zu informieren, was sich dort abspielt. Es geht hier nicht um Sensationsgier.

Welche Delikte werden am häufigsten veröffentlicht?

Abgesehen von den Spektakulären wie jeder Mord oder Bankraub, viele Drogendelikte, Verkehrsunfälle, Vermögensdelikte, Delikte, die im öffentlichen Raum stattfinden, und gelegentlich auch sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen. Und natürlich auch Delikte, wo wir Erfolge haben. Daraus mache ich keinen Hehl.

Kommen jene Delikte, die am häufigsten veröffentlicht werden, auch am häufigsten vor?

Nein. Wir haben am Tag 547 Delikte in Wien. Meistens geht es um Raufereien und Diebstähle. Fünf bis sieben Straftaten senden wir aus. Eine blutige Nase nach einer Rauferei wird eine Millionenstadt nicht interessieren. Wir senden das aus, wo wir wissen, dass sie die Menschen interessieren. Oder auch skurrile Geschichten, wie eine Entenrettung. Sie ist zwar kriminalistisch nicht interessant, aber sie zeigt den Menschen hinter der Uniform. Der Boulevard nimmt das dankend auf.

Wann wird über Vergewaltigungen berichtet und wann nicht?

Der überwiegende Anteil an Vergewaltigungen findet im Familienkreis statt. Gewalt in der Familie senden wir generell nicht aus. Wir haben die Verpflichtung, die Identitäten der Beteiligten zu schützen. Meist ist der Täter bekannt. Die polizeiliche Aufgabe einer Information oder Beratung ist somit nicht gegeben. Die drei Vergewaltigungen, die sich aber in letzter Zeit im öffentlichen Raum - etwa am Praterstern - ereignet haben, haben wir veröffentlicht, da sich hier ein präventiver Charakter ergibt.

Heißt das, wir erfahren von allen Vergewaltigungen, die im öffentlichen Raum passieren?

Nein. Das ist schwierig. Oft sind K.o.-Tropfen im Spiel. Das Opfer muss sich untersuchen lassen und einvernommen worden sein. Man darf auch nicht mit etwas rausschießen, das sich dann am nächsten Tag als falsch herausstellt oder wenn Ermittlungen dadurch gefährdet werden könnten. Es wird nicht jede Vergewaltigung ausgesendet, genauso wie nicht jeder Raubüberfall.

Manche Menschen haben den Eindruck, dass die Zahl der Vergewaltigungen durch Asylwerber steigt. Ist das so oder hat die Polizei ihre Aussendungspolitik geändert?

In letzter Zeit gab es drei abscheuliche Einzelfälle, die auch medial bekannt gemacht wurden. Insgesamt sind wir bei Vergewaltigungen und geschlechtlicher Nötigung aber unter den Werten vom Vorjahr. Durch die ständige Berichterstattung können auch die Medien einen Beitrag zu dem subjektiven Unsicherheitsgefühl leisten. Das stimmt aber mit der objektiven Lage nicht unbedingt überein. Über das Phänomen der sexuellen Belästigung, das auch in Wien vermehrt vorkommt - durch arabische Gruppierungen oder andere -, haben wir seit Köln aber schon Aussendungen gemacht - als Warnung.

Es gibt Kritiker, die meinen, dass die Polizei Straftaten von Asylwerbern absichtlich nicht veröffentlicht. Andere glauben hingegen, dass rassistisch motivierte Straftaten vertuscht werden. Was sagen Sie dazu?

Wir sehen diese Polarisierung auch auf unseren sozialen Medien extrem. In der Regel ist es genau die Mitte. Wir entscheiden völlig unabhängig davon, wer Täter oder Opfer ist, ob ausgesendet wird oder nicht. Ob jemand Fremder oder Österreicher ist, ist für den Gehalt der Straftat völlig irrelevant. In der Regel schreiben wir Nationalitäten nicht einmal in die Aussendungen hinein. Die finden die Medien heraus.