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Von Wunder bis Wurfbox

Von Werner Grotte

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Der "Summer of the 60s" auf Arte widmete sich am Donnerstag Abend dem Phänomen "Deutscher Schlager". Die Doku spannte den Bogen weit, von Weltkriegs-Durchhalte-Ohrwürmern à la "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen" (Zarah Leander) bis zum Wirtschaftswunder-Raketen-Lied "Mann im Mond" von Gus Backus.


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Letzterer war übrigens - genauso wie Bully Buhlan oder Bill Ramsey - amerikanischer Besatzungssoldat ("GI"), und die sangen - damals selbstverständlich - Deutsch. Sogar Soldat Elvis Presley stimmte während seiner Stationierung in Deutschland die uralte Volksweise "Muss i denn zum Städtele hinaus" an.

"Man warf uns vor, eine heile Welt oder gar Biederkeit zu vermitteln - aber vielfach war das einfach Lebensbewältigung oder Lebenshilfe", erklärte es Margot Hielscher. "Unsere Lieder hatten auch durchwegs Harmonie, waren nicht so zerfetzt wie die Hits heute", ätzte Hildegard Knef, die 1951 einen Skandal auslöste, als sie im Film "Die Sünderin" für Sekunden ihren Busen zeigte. Nach Krieg, Besatzung und Hunger hatte subtiler Frohsinn großen Stellenwert in der langsam wieder erstarkenden Gesellschaft und verhalf singenden Schauspielern wie Peter Alexander zu Höhenflügen. Er verkaufte allein in Deutschland 46 Millionen Tonträger, seine Shows waren Straßenfeger. Wie sehr seither das deutschsprachige Selbstbewusstseins bröckelt, demonstrierte der ORF diese Woche anlässlich der Geburt des Pandakindes in Schönbrunn: Nach drei Jahren Pause wurde der Begriff "Wurfbox" wieder in die Welt geschleudert - und (fast) alle Journalisten schreiben brav ab. Dabei spricht nichts dagegen, Tiere in einem Gehege oder Stall zu werfen.