Zum Hauptinhalt springen

Vor 140 Jahren am Roten Meer präsent

Von Rudolf Agstner

Politik

Ägyptens Küste am Roten Meer ist auch für Touristen aus Österreich beliebtes Reiseziel. In Sharm el Sheikh im Sinai, in Hurghada, Safaga und seit einigen Jahren auch in Kosseir an der | afrikanischen Küste tummeln sich Sonnenanbeter und Taucher. Kaum zu glauben, daß in dem verschlafenen Hafendorf Kosseir schon vor 140 Jahren ein k. k. österreichisches Konsularamt bestand, das sich | vereinzelter österreichischer Reisender annahm.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 26 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Als im Januar 1855 der k. k. österreichische Generalkonsul in Alexandrien, Ritter von Huber, eine Reise nach Oberägypten unternahm, erachtete er "für die Vertretung der österreichischen

Handelsinteressen in Oberägypten" die Bestellung von "halbamtlichen" Konsularagenten in Assiut, Qena und Assuan für zweckmäßig. Über Kosseir berichtete Huber nach Wien: "Kosseir, am roten Meere

gelegen und der Ausgangspunkt der nach Kenneh in das Niltal führenden Karawanenstraße, ist wegen seiner Verbindung mit den arabischen Küstenstädten, wegen seines Verkehrs mit dem Hedschas und wegen

des Durchzuges der Pilgerkarawanen nach Mekka ein nicht unbedeutender Handelsplatz und Seehafen.

Ein Katholischer

Handelsmann

Der in Kosseir seit vielen Jahren etablierte katholische Handelsmann Elias Mery (auch "Merray") hat sich bisher den ihm empfohlenen österreichischen Reisenden bestens angenommen. . .". Im Jahre

1855 bewarb sich Mery bei Huber "um seine Anerkennung als Bestallter oder Vakil des k. k. Generalkonsulates, damit er seinen Bemühungen zu Gunsten österreichischer Reisender oder sonstiger Belange

den erforderlichen Nachdruck geben könne. . ."

Huber gab diesem Ansuchen statt und so wurde Mery "halbamtlicher Konsularbestallter (Vakil) . . . ohne Berechtigung zum Bezug von Gebühren oder anderen Emolumenten."

Der deutsche Ägyptenforscher Georg Schweinfurth bereiste im Jahre 1864 von Kosseir, dem Haupthafen Ägyptens am Roten Meer, aus die Küste des Roten Meeres. Er verbrachte einige Tage in Kosseir, "einem

kleinen aber freundlichen Städtchen von kaum 1000 Einwohnern. . . Dr. C. B. Klunzinger, ein junger Württemberger, der als Regierungsarzt dort angestellt ist, nahm mich in seiner geräumigen Wohnung

gastfrei auf. . . Kosser besteht aus einer beträchtlichen Anzahl kleiner Häuser,die, zu unregelmäßigen Straßen angeordnet, wegen ihrer weißen Tünche ein sauberes Aussehen haben. Von größeren Gebäuden

ist nur das des Gouverneurs und das ehemalige Kornmagazin der Regierung, jetzt Wohnung des Arztes, zu nennen, beide, einstöckige geräumige Häuser.

Invalide an Kanonen

Am Abhange der benachbarten Anhöhe, auf der Nordseite der Stadt, erheben sich die hohen Mauern eines Kastells mit etlichen alten Kanonen, deren Bedienung von einigen invaliden Soldaten aus Mehemed

Ali's Zeit versehen wird. Der Brunnen im Hofraum ist durch Vernachlässigung unbrauchbar geworden. Das Fort beherrscht vortrefflich den Ankerplatz der Schiffe und alle Zugänge zur Stadt. . . Die

ägyptische Regierung hat bisher wenig zur Belebung des Handels an diesem Platze getan. Seit der Verlegung des Kornmagazins nach Sues und namentlich seit dem Abzug des europäischen

Telegraphenpersonals hat sich der Verkehr daselbst bedeutend verringert. Letzteres bewohnte ein schönes Holzgebäude, das auf der Anhöhe neben der Zitadelle jetzt unbenutzt dasteht. . .

Erpressungen

und Schikanen

Wie zum Überfluß dieser mißlichen Verhältnisse haben die Kaufleute auch wegen vielfacher Erpressungen und Schikanen seitens des Gouverneurs und eines ebenso geldgierigen und intriganten Kadis

vollkommenes Recht zur Unzufriedenheit mit dem Bestehenden. Am meisten, wie überall, haben die armen Kopten zu leiden. Unter diesen gibt es einige bedeutende Kaufleute, sehr ehrenwerte und allgemein

geachtete Leute, die als Konsularagenten von Frankreich und Österreich fungieren, Ämter, die ihnen ihrer Zwecklosigkeit wegen viel Geld gekostet haben. . ."

Der von Schweinfurth erwähnte österreichische Konsularagent war Elias Merray. Dieser starb im Dezember 1872. Nachdem er schon sehr altersschwach gewesen war, hatte sein Sohn schon seit längerer Zeit

die unbedeutenden Geschäfte der Konsularagentie geführt Nach Merrays Tod wurde der Diplomatische Agent in Kairo, Schreiner, aufgefordert "über die Zweckmäßigkeit der Aufrechterhaltung der gedachten

Konsularagentie, sowie über die Qualifikation des mutmaßlichen Gerenten dieses Postens, des Sohnes des verstorbenen Funktionärs zu berichten. . ."

Gegen Levantiner

Schreiner, der am 17. Februar 1872 nach Wien einberufen worden war, berichtete als eine seiner letzten Amtshandlungen in Kairo am 19. Februar 1872, "daß ich . . . gegen die Verleihung der

Konsularagentie in Cosseir an den Sohn des verstorbenen Elias Merray bin, und da mir vor der Hand kein passendes Individuum bekannt ist, nur dahin anraten kann, den Posten vor der Hand unbesetzt zu

lassen. Mit Levantinern habe ich selbst zu traurige Erfahrungen gemacht, als daß ich noch in der letzten Stunde selbst einen Levantiner zum Konsularagenten vorschlagen sollte, für die absolute

Aufhebung der Agentie aber bin ich aus dem Grunde nicht, weil das rote Meer überhaupt für unsere Handelsinteressen eine bedeutende Zukunft hat und früher oder später für ausreichende Vertretung

derselben wird gesorgt werden müssen. . ."

1872-1900 "unbesetzt"

Das Ministerium in Wien schloß sich diesem Vorschlag an. Der Referent vermerkte auf dessen Bericht: "Nachdem die Besetzung des erledigten Postens eines Konsularagenten in Kosseir durchaus nicht

dringlich und auch der neuernannte Generalkonsul für Ägypten Ritter von Cischini keinen Antrag bisher gestellt hat", wurde der Vorgang am 9. Dezember 1872 "ad acta" gelegt. Die Geschichte der

Konsularagentie Kosseir war nach kaum 17 Jahren schon wieder zu Ende. Die vakante Stelle wurde · in bester österreichischer Tradition · nicht aufgehoben, sondern bis 1900 im Staatsschematismus mit

dem Zusatz "unbesetzt" weiterhin angeführt.

Ein einziges Mal sollte es noch eine "offizielle" k. u. k. Präsenz in Kosseir geben. S. M. S. "Pola", die 1895/96 und 1898 Tiefseeforschungen im Roten Meer unternahm, betrieb dort eine

meteorologische Station, die vom Direktor der lokalen Sanitätsanstalt betreut wurde. Doch nun, wo ein k. u. k. Konsularagent in Kosseir von Nutzen gewesen wäre, war er nur mehr auf dem geduldigen

Papier des Staatsschematismus vorhanden.