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Krakau - "Herrlich beten" habe sie dort im Elend gekonnt, ist als eines der letzten Worte von Edith Stein aus Westerbork überliefert. In der Nachbarschaft der kleinen nordniederländischen Gemeinde stand zur Zeit der deutschen Besatzung ein Sammellager für niederländische Juden. Von hier fuhren die Deportationszüge in Richtung Osten. Am 7. August 1942 wurde die katholische Ordensfrau Edith Stein mit ihrer Schwester Rosa und Hunderten von Schicksalsgefährten von "Baracke 36" aus nach Auschwitz deportiert. Dort starben sie wahrscheinlich schon am 9. August in der Gaskammer.
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Edith Stein stammte aus einer jüdischen Familie in Breslau. Nach glänzendem Philosophiestudium berief sie der weltberühmte jüdische Philosoph Edmund Husserl zu seiner Assistentin. Sie, die sich damals selbst als Atheistin sah, entdeckte am Beispiel engagierter Christen und anhand der Lektüre der Heiligen Teresa von Avila die Botschaft Jesu und kam zu dem für ihre Familie überraschenden und schmerzlichen Entschluss, Christin zu werden. Im Jahr vor Hitlers Machtergreifung trat sie in Köln als Ordensfrau in den strengen Karmel ein. Je wütender der Hass der Nazis gegen die Juden tobte, umso mehr bot sie Gott ihr Leben als Opfer für das jüdische Volk an, dem sie sich trotz ihrer Taufe unverändert zugehörig fühlte.
Um ihre Mitschwestern zu schützen, verließ sie 1938 Deutschland und übersiedelte in den Karmel von Echt in den Niederlanden. Als die niederländischen Bischöfe am 26. Juli 1942 von allen Kanzeln ein Hirtenwort gegen die Judenverfolgung verlesen ließen, wurden als Racheakt eine Woche später auch die katholischen Juden, darunter auch Ordensangehörige wie Edith Stein, von der Gestapo verhaftet und über das Sammellager Amersfort in das Durchgangslager Westerbork gebracht. Vor dem Abtransport wehrte sie die Frage nach einer möglichen Rettung ab: "Warum soll ich eine Ausnahme erfahren? Wenn ich nicht das Los meiner Schwestern und Brüder teilen darf, ist mein Leben wie zerstört".
Das letzte Lebenszeichen stammt von einem Halt des Todestransports auf dem pfälzischen Bahnhof Schifferstadt, sieben Kilometer nordwestlich von Speyer, wo sie acht Jahre als Lehrerin gewirkt hatte. Der Transport der Todgeweihten hielt gegen 13 Uhr außerplanmäßig auf Gleis 3 des Bahnhofs von Schifferstadt. In den wenigen Minuten Aufenthalt konnte sie dem auf dem Bahnsteig stehenden Kaplan Ferdinand Meckes Grüße an Prälat Nikolaus Lauer zurufen, dem damaligen Chefredakteur der Kirchenzeitung "Der Pilger". Bei der Abfahrt des Zuges gelang es ihr noch, für Meckes einen kurzen schriftlichen Gruß aus dem Wagen zu werfen. Dann rollte der Todeszug ohne weiteren Aufenthalt nach Auschwitz-Birkenau, wo die Deportierten am 9. August ankamen.
Edith Stein und ihre Schicksalsgefährten wurden ihrer Kleider beraubt und in die Gaskammern getrieben, wo angeblich eine Desinfektion stattfinden sollte. Nach dem Schließen der Türen aber warf ein SS-Mann das tödliche Blausäuregift "Zyklon B" durch eine Luke. Die Schreie der Opfer, die nun wussten, was wirklich geschah, verstummten nach und nach, und nach 20 Minuten waren alle tot.
"Auf Karren", so berichteten später Angehörige des "Sonderkommandos" - Häftlinge, die gezwungen wurden, die Spuren des Massenmordes zu beseitigen - "brachten wir die Leichen - Männer, Frauen, Alte und Junge, Kinder und Greise - in große Gruben und gossen Benzin darüber. So wurden sie verbrannt". Die Asche wurde in den nahe gelegenen Fluss Sola gekippt und von der Strömung weggetrieben. Ein Grab gibt es somit auf diesem "größten Friedhof der Weltgeschichte" nicht. Wo Fundamentreste der Gaskammer zu sehen sind, wurde ein Denkmal für Edith Stein aufgestellt, denn mit Sicherheit weiß man nur: Hier ist die Todesstätte der Frau, die Papst Johannes Paul II. 1998 heilig gesprochen und zur Mitpatronin Europas erklärt hat.