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Vor 85 Jahren wurde Bayerns Regierungschef Eisner ermordet

Von Jürgen Balthasar

Politik

Der Mörder kam von hinten. Mit zwei Genickschüssen tötete der Leutnant und Jusstudent Anton Graf von Arco-Valley auf offener Straße in München den bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner. Der 51-jährige Begründer des Freistaates Bayern nach dem Zusammenbruch der Monarchie war sofort tot. An das Attentat vor 85 Jahren - am 21. Februar 1919 - erinnerte die Münchner SPD am Wochenende. Die dazu an Eisners Grab vorgesehene Kranzniederlegung auf dem Jüdischen Friedhof wurde einen Tag vorgezogen, weil der Jahrestag des Mordes in diesem Jahr auf einen Sabbat fällt.


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An das Attentat erinnert in der Münchner Innenstadt seit Jahren auch eine große Bronzeplatte. Sie wurde genau an der Stelle ins Trottoir eingelassen, an der Eisner starb. Achtlos gehen die meisten Passanten über das Denkmal hinweg. Nur wenige wissen mit dem Namen Eisner noch etwas anzufangen. Dabei war er der Begründer des Freistaates Bayern. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges verkündete er in einem Aufruf "An die Bevölkerung Münchens" in den "Münchner Neuesten Nachrichten" vom 8. November 1918: "Bayern ist fortan ein Freistaat." Der Begriff "Freistaat" stand dabei für Demokratie oder Republik. Die Monarchie der Wittelsbacher in Bayern war gestürzt, König Ludwig III. mit seiner österreichischen Frau geflohen. Damit war Bayern Vorreiter, denn erst am Tage darauf rief der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann in Berlin die Republik aus.

Zur Vorgeschichte des Umsturzes in Bayern gehörten Massenstreiks in kriegswichtigen Betrieben, an deren Vorbereitung Eisner mitgewirkt hatte, sowie zahlreiche Auftritte des begnadeten Redners und vor allem eine große Friedensdemonstration von mehr als 100.000 Bürgern auf der Münchner Theresienwiese am 7. November 1918. Noch am Abend des gleichen Tages konstituierte sich im "Mathäserbräu" am Münchner Stachus als neues Staatsorgan ein Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat unter Vorsitz Eisners. Unmittelbar nach der Proklamation des Freistaats wurde eine neue Regierung gebildet. Der Sozialist Eisner übernahm das Amt des Ministerpräsidenten.

Als ihn sein Mörder im Jahr danach erschoss, war Eisner auf dem Weg in den Landtag und trug seine Rücktrittserklärung als Ministerpräsident in der Tasche. Denn bei der Landtagswahl vom 12. Jänner 1919 hatte seine Partei, die USPD, eine bittere Niederlage erlitten und mit 2,5 Prozent der Stimmen nur drei von 180 Parlamentssitzen errungen. Dem Bild Eisners habe am meisten geschadet, dass er immer wieder mit der Münchner Räterepublik nach seinem Tode und dem Blutvergießen bei deren Niederschlagung in Zusammenhang gebracht werde, hat seine Enkelin, die Historikerin Freya Eisner, einmal beklagt.

Manche bezeichnen es als eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet ein Preuße den Freistaat Bayern ausrief. Denn Eisner stammte aus Berlin. Dort war er am 14. Mai 1867 zur Welt gekommen. Nach dem Studium von Philosophie und Germanistik an der Berliner Universität arbeitete er als Journalist in Frankfurt/Main sowie in Marburg und erreichte dann eine führende Stellung in der SPD als leitender Redakteur der Parteizeitung "Vorwärts" in Berlin. Danach wechselte Eisner zu Zeitungen in Nürnberg und später in München. Im Streit um die Kriegskredite wandte er sich von der SPD ab und war 1917 maßgeblich an der Gründung der weiter links stehenden Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) beteiligt.

Eisner habe staatspolitisch und verfassungsrechtlich die Weichen für ein modernes Bayern gestellt, hat der Historiker Franz J. Bauer einmal gesagt. Das "window of opportunity" (Fenster der historischen Gelegenheit) habe sich 1918 nur einen Spalt geöffnet, "und in diesem Spalt stand Eisner". Bezeichnenderweise sei unter seinem Einfluss der Übergang von Monarchie zu Demokratie in München in geordneten Verhältnissen abgelaufen.