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Vor dem Schlagabtausch zur EU-Gesellschaft

Von Wolfgang Tucek

Europaarchiv
Darfs ein bisschen mehr sein? Ob für das Stammkapital ein Euro ausreicht, oder 6000 Euro soll laut Schweden von den Mitgliedsländern selbständig entschieden werden. Österreich sieht aber den Gläubigerschutz erst mit 10.000 Euro gewährleistet. Foto: bb

Sitz, Grundkapital und Arbeitnehmervertretung sind noch immer offen. | Schweden schlägt Kompromiss vor. | Positionen sind aber noch zu weit auseinander. | Brüssel. Bei ihrem Treffen am 3. und 4. Dezember sollen sich die EU-Wirtschaftsminister nach dem Willen des EU-Vorsitzlandes Schweden auf die Etablierung der so genannten Europäischen Privatgesellschaft (EPG) einigen. Diese ist auch als EU-GmbH bekannt und dafür gedacht, dass Klein- und Mittelbetriebe unkompliziert und mit überschaubarem Grundkapital nach möglichst einheitlichen Regeln eine EU-weit gültige Firma eintragen lassen können. Doch dass die Einigung noch heuer gelingt, können sich EU-Diplomaten nicht so richtig vorstellen.


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Denn schon der vor rund eineinhalb Jahren vorgestellte Vorschlag der EU-Kommission stieß vor allem in Österreich und Deutschland auf heftigen Widerstand. Das Grundkapital von bloß einem Euro entspreche nicht den traditionellen Vorstellungen des Gläubigerschutzes, meinen die beiden Länder; auch die mögliche Herunternivellierung der Arbeiternehmervertretung stört. Beides scheint im neuesten Kompromissvorschlag der Schweden, der der "Wiener Zeitung" vorliegt, nicht ausreichend entschärft.

Stockholm schlägt vor, dass die EPG grundsätzlich mit einem Euro Grundkapital gegründet werden darf; die Mitgliedsstaaten aber auch bis zu 6000 Euro für EU-GmbHs vorschreiben dürfen, die auf ihrem Staatsgebiet registriert werden. Zusätzlich sollen EU-Länder noch nicht näher spezifizierte Solvenz- oder Bilanztests einführen dürfen, die eine Art Geschäftsführerhaftung zur Folge haben könnten. Österreich fordert dagegen als Grundkapital für die EU-GmbH mindestens 10.000 Euro.

Ein weiteres Kernproblem ist die so genannte Sitzfrage. Schon der ursprüngliche Vorschlag sah vor, dass sich die EPG in einem anderen Land registrieren lassen darf, als sie den Schwerpunkt ihrer geschäftlichen Tätigkeiten hat. Dadurch könnte der Kompromissvorschlag leicht ausgehebelt werden, eine anderswo eingetragene EPG mit einem Euro Grundkapital und ohne weitere Haftungsregeln dürfte in Österreich operieren.

Dort sind derzeit 35.000 Euro für die Gründung einer GmbH nötig, wobei die Hälfte gleich eingezahlt werden muss. Die derzeitige Forderung Österreichs nach einem Grundkapital von 10.000 Euro wird daher bereits als ziemliches Entgegenkommen gewertet. Dänemark und die Niederlande sollen diese Schwelle ebenfalls befürworten. Zahlreiche EU-Staaten im Osten und Süden finden aber bereits die Option auf 6000 Euro Grundkapital inakzeptabel weil viel zu hoch. Die Briten mit ihren Public Limited Companies, die kaum Grundkapital aber dafür strenge Haftungsregeln für Geschäftsführer haben, können die österreichischen Wünsche schon aus ihrer Rechtstradition heraus schlecht verstehen.

Neben Großbritannien sind auch Frankreich, Portugal, Irland und neue Mitgliedsländer enttäuscht, dass der schwedische Kompromissvorschlag von einer einheitlichen europäischen Gesellschaftsform bereits weit entfernt und dadurch zunehmend sinnlos sei. Bei jeder Gelegenheit werde auf nationales Recht verwiesen, die Mitgliedsländer hätten zu viele individuelle Gestaltungsmöglichkeiten, kritisieren sie.

Weiterhin Gezerre

Zusammenfassend meinte ein Diplomat, dass den schwedischen Kompromissvorschlag niemand so wolle, wie er jetzt am Tisch liege. Bei der letzten Diskussion der EU-Botschafter habe es massive Kritik von allen Seiten gegeben. Richtig sei allerdings, dass es einen Konsens über die Grundidee der Erleichterungen für kleinere Unternehmen gebe. Nur wenn der politische Druck in diese Richtung Überhand gewinne, sei eine Einigung rasch möglich. Denn für die Schaffung der EPG ist nach dem Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags am 1. Dezember eine einstimmige Entscheidung der Mitgliedsstaaten nötig. Das EU-Parlament muss zustimmen.