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Vor den zerbombten Toren von Damaskus

Von Christoph Rella

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Der syrische Fußballverband hat also seinen Nationalcoach Bernd Stange nach weniger als einem Jahr im Amt entlassen. Als Grund wurde das schlechte Abschneiden der Elf beim Asien-Cup in den Vereinigten Arabischen Emiraten genannt. Kein Tor und nur ein Punkt waren wohl nicht das, was sich die Herren in Damaskus vom Ex-DDR-Trainer erhofft hatten. Das jüngste 0:2 gegen Nachbarn Jordanien saß tief. Aber hat der Verband wirklich geglaubt, der Deutsche würde Syriens Team binnen Monaten zum großen Player machen und auch noch den Asien-Cup gewinnen? Seit ihrem ersten Antreten 1972 waren die Syrer selbst im tiefsten Frieden nie in der Lage, wenigstens den Sprung in die Gruppenphase zu schaffen. (Einzige Ausnahme ist bisher die Fast-Qualifikation für Russland 2018.) Wie sollte also Stange, dessen Spieler über alle Welt verstreut sind und die wegen des Krieges seit Jahren nie in den Genuss eines Heimspiels kamen, dieses Kunststück schaffen?

Nun stimmt es schon, dass der bereits 70-Jährige selbst unter widrigsten Umständen Großes erreichen kann, wie zum Beispiel sein Engagement für den Irak in den frühen 2000er Jahren gezeigt hat: Immerhin qualifizierte sich die Mannschaft - dem Einmarsch der Amerikaner und dem darauf folgenden Bürgerkrieg zum Trotz - erfolgreich für die Olympischen Spiele 2004 und holte auch gleich den vierten Platz. Allerdings sind solche Leistungen im Fußball eher die Ausnahme als die Regel. Syrien hätte also besser daran getan, seinen Coach eine zweite Chance zu geben. Es ist ja nicht so, dass die (fähigen) Bewerber in Damaskus Schlange stehen.