Ab- und Ansiedelungen: Wien will nicht mit NÖ konkurrieren - dennoch gibt es ein paar wesentliche Änderungen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. "Mit den Grundstückspreisen auf der grünen Wies’n kann eine Großstadt nie konkurrieren", lässt Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner (SPÖ) ausrichten. "Für uns sprechen andere Standortfaktoren, wie die gute Infrastruktur oder auch hoch qualifizierte Arbeitskräfte", sagt sie zur "Wiener Zeitung". Dennoch soll es Verbesserungen für die Produktion geben: weniger Bürokratie als bisher, eine Förderstelle.
Aber von vorne: Als der Schwedenbombenhersteller Niemetz vor zwei Wochen seine Absiedelung von Wien nach Niederösterreich bekanntgab, trat die Opposition schnell auf den Plan. Wien tue nichts, um Betriebe zu halten, so der Vorwurf. Das Land Niederösterreich wiederum rühmte sich mit dem Gewinn eines berühmten Wiener Traditionsunternehmens. Die Wirtschaftsagentur des Landes Niederösterreich, Ecoplus, sei im Fall Niemetz genauso verfahren wie bei allen anderen Unternehmen, die sich in einem ihrer Wirtschaftsparks, in diesem Fall Wiener Neudorf, ansiedeln wollen. "Wir sanieren oder erweitern nach Bedarf der Mieter das Objekt", sagt Michaela Horsky von Ecoplus. Die Kosten dafür würden in die Miete eingerechnet. "Wir machen aber keinen Gewinn", so Horsky. Ansonsten gab es für das Unternehmen keine Förderung.
Die Wirtschaftsagentur Wien bot Niemetz zehn Standorte an. "Es wurde mit Heidi Chocolat, die die Schwedenbombe jetzt erzeugt, intensiv über mögliche Standorte in Wien verhandelt, das Unternehmen hat die Gespräche jedoch beendet", sagt Ursula Kainz von der Wirtschaftsagentur zur "Wiener Zeitung". "Wir stellen den Unternehmen nicht einfach eine Halle hin, das Wiener Fördersystem ist anders und projektorientiert."
Und was hätte Wien für Niemetz getan? Die Firma hätte bei der Wirtschaftsagentur um mehrere Förderungen ansuchen können. Bei der Standortförderung wären bis zu 500.000 Euro möglich gewesen; je nach Bewertung der Jury nach bestimmten Kriterien wie dem Investitionsvolumen, der Beschäftigtenzahl oder der Wertschöpfungsintensität. Bei der Sachgüterförderung wären bis zu 100.000 Euro möglich gewesen. Bei der Internationalisierungsförderung bis zu 50.000 Euro. Auch eine Technologieförderung wäre zu holen. Eine Firma könnte bis zu einer Million Euro Fördergeld pro Jahr bekommen, so Kainz.
Wien hat laut Kainz ein völlig anderes Fördersystem als Niederösterreich. Das seien zwei Paar Schuhe. "Wir haben eine Fülle unterschiedlicher Förderungen, die sich nach der Qualität und der Nachhaltigkeit richtet." Die Agentur vergibt 40 Millionen Euro pro Jahr. Im Jahr 2013 wurden insgesamt 640 Unternehmen gefördert; im produzierenden Bereich haben seit 2012 knapp über 200 Betriebe Förderungen in der Höhe von 12,3 Millionen Euro erhalten.
Für Hans Staud, dem Wiener Marmeladehersteller, der vor kurzem laut über eine Übersiedelung nachgedacht hatte, gab es bis dato insgesamt 150.000 Euro an Förderung. Zuletzt bekam das Unternehmen im Ottakring 2011 rund 70.000 Euro für seine innovative Produktionsanlage. Das Traditionsunternehmen Manner bekam 500.000 Euro Förderung, zuletzt im Rahmen einer Technologieförderung ebenfalls für eine innovative Produktionsmaschine.
"Wir lassen uns nicht vorwerfen, nichts getan zu haben", sagt Brauner. Doch für Staud, der 2015 auf einen größeren Standort ausweichen möchte, spielen noch andere Überlegungen eine Rolle, etwa die gesetzliche Regelung, bei Neubauten von Firmengebäuden Garagenplätze vorsehen zu müssen. "Die Kosten würden dadurch ansteigen", heißt es dort. Stauds ziele jedoch darauf ab, in Wien zu bleiben und nicht nach Niederösterreich abzusiedeln.
Wien und NÖ sollten Steuererträge teilen
Ökonomisch gesehen ist eine Absiedelung wie von Niemetz laut Wirtschaftsforscher Peter Mayerhofer "kein Problem, ja betriebswirtschaftlich gesehen sogar vernünftig". "Wer für seine Produktion große Flächen braucht, transportkostenintensiv arbeitet oder stark lohnkostensensitiv ist, wird sich nicht in der Kernstadt ansiedeln. Wer die Vorteile der Stadt mit ihrer Informationsdichte, dem Angebot an Hochqualifizierten und den Kontakt zu Forschungseinrichtungen braucht, wird in den Stadtkern wandern", sagt er zur "Wiener Zeitung". Obwohl die Zusammenarbeit in der überregionalen Standortwerbung ökonomisch sinnvoll wäre, herrscht laut Mayerhofer zwischen Wien und NÖ - trotz gegenseitiger Wissensbekundung der Zusammenarbeit - ein kleinräumiger Wettbewerb vor. So kämpfe jedes Bundesland um die Ansiedelung im eigenen Revier, um auch die vom Lohn abhängige Kommunalsteuer einholen zu können. Hier wären nach Ansicht des Wirtschaftsforschers neue Lösungen gefragt. So wäre es vorstellbar, die Steuererträge zu teilen, unabhängig davon, wo sich das neue Unternehmen ansiedelt. Das würde einen "optimalen" Standort garantieren. "Jedenfalls hat es keinen Sinn, wenn man eine Firma nur mit Förderungen hält."
Die Stadtpolitik kennt jedenfalls die Vorwürfe von produzierenden Unternehmen: Probleme mit den Behörden, Parkraumnot und geringere Kosten im Umland. Brauner: "Wir müssen als Verwaltung besser werden und das wollen wir auch." Demzufolge wurde bereits 2011 gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Wien (WKW) und der Industriellenvereinigung (IV) eine Arbeitsgruppe zur Entbürokratisierung eingerichtet.
"One-Stop-Shop" für Betriebsanlagengenehmigung
Ab Dezember 2014 soll es nur noch vier Anlaufstellen für Betriebsanlagen-Genehmigungen in Wien geben. Ein "One-Stop-Shop", wie es heißt, um alles zu vereinfachen. Informationsvideos wurden erstellt, Infostellen bei den Magistraten eingerichtet. Und die Wirtschaftsagentur integrierte Zit und Departure, damit es nur noch eine zentrale Förderstelle gibt.
WKW-Chef Walter Ruck bleibt weiter kritisch: "Wie viel Abwanderung kann Wien noch verkraften", fragt er sich. Für Wien und Niederösterreich bleibt das Match in diesem Fall ambivalent. Denn ohne Wien würde der Speckgürtel wohl auch nicht funktionieren.