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"Vor mir war alles dunkelgrau"

Von Walter Hämmerle und Christian Mayr

Politik

Zu Wien: Habe diese Stadt offener und moderner gemacht. | Zum ORF: Vor Bacher und mir war der ORF ein Provinz-TV. | Zum Präsenzdienst: Die Jugend soll dem Vaterland etwas zurückgeben.


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"Wiener Zeitung": Die Medien zeichnen Sie gerne als polternden Vollblutpolitiker, der stets sagt, was er denkt. Stimmt dieses mediale Bild mit Ihrer wirklichen Persönlichkeit überein?Helmut Zilk: Da bin ich wirklich der Letzte, der das beurteilen kann. Ich poltere zwar viel und gerne, aber doch hoffentlich nicht nur. Ich glaube schon, dass ich auch einiges in der Politik bewegen konnte.

Wenn Journalisten über Sie schreiben, ist mitunter ein leises Lächeln und viel Ironie dabei.

http://www.wienerzeitung.at/Images/2007/6/9/948_008_188614_090605zilk1.jpg Ich habe ja gar nicht alles gelesen, was so über mich geschrieben wird. Es ist ein Wunder, dass ich letzte Woche überhaupt die ORF-Dokumentation zu meinem Geburtstag gesehen habe. Haben Sie sie gesehen?

Natürlich haben wir!

Ich hab sie ja vor allem in der Rolle als Zuschauer gesehen. Und da muss ich sagen: wirklich hervorragend und mit viel Humor gemacht, da wird einem nicht fad. Ich zumindest hab mich ganz gut über mich unterhalten.

Wie würden Sie sich denn selbst beschreiben?

Wie soll ich das in einem Satz bewerkstelligen?! Vielleicht als einen, der mit reinem Herzen das Beste will. Ich habe viel angefangen, Vieles versucht, viel ist auch gelungen. Als Lehrer, Stadtrat, Minister und Bürgermeister habe ich immer versucht, mit viel Menschenliebe den Menschen zu helfen - bis heute als "Krone"-Ombudsmann. Ich habe aber auch Niederlagen einstecken müssen.

Man muss ja nicht an die Astrologie glauben, aber ich bin tatsächlich ein wirklicher Zwilling: Vielfach begabt, ich habe viel, viel gemacht, aber es fast nie zur Perfektion gebracht. Ich war immer auf der Suche nach Neuem.

Was hat denn Helmut Zilk am besten gemacht?

Ich war, glaube ich, ein ganz guter Lehrer. Das sagen zumindest der ehemalige Vizekanzler Norbert Steger, der bei mir maturiert hat, und auch Fritz Neugebauer (Lehrer, ÖAAB-Obmann, GÖD-Chef; Anm.). Noch heute treffe ich mich mit ehemaligen Schülern.

Auch im Fernsehen ist mir ein bisschen was gelungen, immerhin habe ich ein gutes Dutzend Sendungen miterfunden. Vor Gerd Bacher und mir war der ORF ja ein Wiener Provinz-TV, das in den Ländern praktisch keinen Stellenwert gehabt hat. Wir haben aus dem ORF einen nationalen Sender mit Kultur- und Informationsauftrag gemacht.

Und schließlich war ich auch an der Öffnung dieser Stadt beteiligt. Wien ist heute eine modernere Stadt - und auch eine hellere. Vor mir waren alle Fassaden dunkelgrau. Und ich habe auch den Schalter umgelegt, dass wir von der Stadterweiterung hin zur Stadterneuerung gekommen sind.

Apropos Stadterneuerung: Die hat gerade in Wien nicht selten auch zur Zerstörung des historischen Stadtbildes beigetragen. Der verstorbene Schauspieler Herbert Fux hat immer gesagt, das hätte es unter dem Zilk nicht gegeben. Stimmt das?

Ich habe Herbert Fux sehr geschätzt. Aber man darf nicht in den Extremismus eines Puristen verfallen - und Fux war ein Purist. Nehmen Sie den Hochholzerhof in der Tuchlauben, wo heute die Bawag residiert: Das ist eines der schönsten Gebäude Wiens und war innen völlig verkommen. Das Denkmalamt hat jede Renovierung mit Verweis auf den Denkmalschutz abgelehnt. Wenn man das so stehen gelassen hätte, wäre es bald von selbst zusammengefallen. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass die Fassade stehen gelassen und das Gebäude innen völlig neu gebaut wird. Man muss Kompromisse schließen können.

Ich habe auch immer gesagt, dass Dachausbauten notwendig sind, weil dies die City wieder mit Leben und Einwohnern erfüllt. Aber es muss so gemacht werden, dass es in das Stadtbild passt. Und in Baulücken muss neu gebaut werden können. Wien wurde im Laufe der Jahrhunderte ständig ergänzt. Am wunderbaren Judenplatz etwa steht das älteste gotische Wohnhaus neben Gründerzeithäusern und Barock. Natürlich gibt es aber auch Negativbeispiele, ich will hier nichts schönreden.

Sie sagen, Wien ist unter Ihnen offener und internationaler geworden. Wurden nicht in den 80er und 90er Jahren die Herausforderungen der Integrationspolitik unterschätzt. Heute sehen wir, dass viele Zuwanderer der zweiten, dritten Generation auf der Verliererstraße sind.

Diese Probleme wurden bereits in den 70er Jahren übersehen. Man darf nicht vergessen: Wir hatten nie eine kontinuierliche Zuwanderung, die Menschen kamen vor allem in Schüben. In den 50ern die Ungarn, in den 60ern die Tschechen, in den 70ern die Türken und in den 90ern schließlich die Balkan-Flüchtlinge. Damals hatten wir von einem Tag auf den anderen tausende bosnische Kinder in Wien. Die haben wir natürlich in die Schulen gesteckt, auch wenn sich manche Eltern darüber beschwerten.

Natürlich kann man immer mehr tun, aber Wien hat in Relation zur Größe erheblich mehr an Zuwanderern aufgenommen als etwa München oder Frankfurt, ganz zu schweigen von Zürich. Aber weder ein Zilk noch ein Häupl können die Wiener umerziehen. Das hat man auch bei der Frage der Öffnung der Gemeindebauten für Ausländer gesehen. Hier gab es einfach den Widerstand der einfachen Leute, der Basis in der SPÖ. Man muss auch mit den Menschen rechnen.

SPÖ und ÖVP streiten über die Gesamtschule. Stadträtin Laska will sie schon 2008 flächendeckend einführen. Was sagt der ehemalige Unterrichtsminister Zilk dazu?

Ich war immer ein Befürworter der Gesamtschule. Das heißt aber nicht, dass alle Kinder zur gleichen Zeit in die selbe Schule gehen. Eine solche negative Form der Gesamtschule existiert in der Wiener AHS bereits, etwa in Hitzing, wo 85 Prozent aller Kinder hingehen. Eine Gesamtschule, wie ich sie sehe, muss inhaltlich vielfach differenziert sein - nach Alter, nach Begabung und auch Interessen. Das einzuführen geht aber nicht über Nacht.

Die Bundesheer-Reform, für die Sie als Vorsitzender der Kommission maßgeblich verantwortlich sind, droht am Geldmangel zu scheitern.

Es ist zu wenig Geld da, kein Zweifel, und das Bundesheer kann leider nicht mit dem kollektiven Druck aus der Bevölkerung rechnen. Die Menschen sehen nur bei Hochwasser oder anderen Katastrophen die Notwendigkeit des Heeres.

Jetzt ist Norbert Darabos (SPÖ-Verteidigungsminister; Anm.) bestellt worden. Der ist wirklich ein sehr anständiger, ehrlicher Politiker und - ich bezeichne mich ja immer als republikanischen Monarchisten - dass ein Burgenland-Kroate diese Aufgabe bekommen hat, ist für mich wirklich eine große Sache. Aber natürlich gibt es immer und überall gewerbsmäßige Bremsklötze, wie man sieht eben auch im Generalstab.

Und noch etwas ist mir wichtig: Ich war immer ein Anhänger des Präsenzdienstes. Wenn wir den einmal nicht mehr haben, verlieren wir etwas Einigendes für die Nation. Das darf man heute zwar nicht allzu laut sagen, ich glaube aber, dass junge Menschen auch einmal etwas dem Vaterland zurückgeben sollten.

Und wie kommt man aus dieser endlosen Eurofighter-Debatte wieder heraus?

Gar nicht, oder anders gesagt: Nur durch die Kraft des Faktischen. Das findet statt - sei es mit mehr oder weniger Fliegern, mit mehr oder weniger Geld, früher oder später, aber das findet statt. Fehler sind sicher gemacht worden, eher nicht bei der Bestellung, die Experten wissen schon, was sie bestellt haben. Natürlich ist die Sache mit dem Wolf (Airchief, Anm.) ein Schönheitsfehler und Peter Pilz (Grüner Vorsitzender des Eurofighter-U-Ausschusses; Anm.) wird nie wieder so eine schöne Bühne finden. Wobei, eines muss ich schon sagen: Der Pilz kennt sich aus, bis ins Detail. Wenn ich Kanzler wär, würd ich überlegen, ob ich ihn nicht zum Verteidigungsminister mach. Weil ich denk mir immer: Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand.

Zur Person

(wh) Mit Helmut Zilk feiert am heutigen Samstag eine der schillerndsten Figuren der heimischen Politik seinen 80. Geburtstag. Seine ersten Sporen verdiente der gebürtige Favoritner ab 1947 als Volks- und Hauptschullehrer. Parallel dazu studierte er Pädagogik, Germanistik, Psychologie und Philosophie. Nach dem Krieg begann auch sein Engagement für die SPÖ, das Zeit seines Lebens nicht frei von Konflikten bleiben sollte.

1955 wechselte Zilk zum Rundfunk, wo er unter anderem das Schulfernsehprogramm aufbaute. Einen Meilenstein setzte er mit den "Stadtgesprächen". Von 1967 bis 1974 war er Programmdirektor im ORF.

1979 wechselte Zilk als Kulturstadtrat in die Wiener Kommunalpolitik, 1983 holte ihn Kanzler Sinowatz als Unterrichtsminister. Nur ein Jahr später kehrte Zilk als Bürgermeister ins Rathaus zurück. Für die kommenden zehn Jahre bestimmte er im Tandem mit seinem Vizebürgermeister und Finanzstadtrat Hans Mayr die Stadtpolitik. In diese Ära fielen etwa der U-Bahnausbau, eine große Wohnbau- und Stadterneuerungsoffensive, die Modernisierung der Müllverbrennungsanlagen sowie die Eröffnung des neuen AKH.

Auch nach seinem Abschied aus der offiziellen Politik blieb Zilk aktiv: So ist er Aufsichtsratsvorsitzender der Wiener Städtischen und war Vorsitzender der Bundesheerreformkommission. Im Dezember 1993 wurde Zilk ein Opfer der ersten Briefbombenserie. 2006 musste er nach der Implantation eines Herzschrittmachers vorübergehend in künstlichen Tiefschlaf versetzt werden.

Zilk ist seit 1978 mit seiner dritten Ehefrau, dem Operetten- und Musicalstar Dagmar Koller, verheiratet. Er hat einen Sohn.

Was ist Ihr nächstes Projekt?

Die Pension. Nein, im Ernst, mit Gottes Gnade noch ein bisschen arbeiten. Ich bin nun einmal kein Schrebergärtner und auch kein Weinsammler.