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Wien/Bukarest - Die Präsidenten- und Parlamentswahlen in Rumänien von Sonntag drohen, eine neo-kommunistische Restauration einzuleiten. Nach Meinungsumfragen hat im Kampf um die Präsidentschaft der Alt-Kommunist Ion Iliescu, der schon 1990 bis 1996 an der Spitze des Staates stand, mit rund 40 Prozent die größten Erfolgschancen unter den insgesamt zwölf Kandidaten. Sollte - erwartungsgemäß - kein Kandidat im ersten Durchgang die absolute Mehrheit erreichen, kommt es am 10. Dezember zu einer Stichwahl.
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Für die 467 Sitze im Parlament stellten 80 Parteien insgesamt 20.000 Kandidaten auf. Iliescus Partei der Sozialen Demokratie (PDSR) kann auf 40 Prozent der Stimmen und damit auf die Mehrheit im Parlament hoffen. Die zweitgrößte Fraktion wird nach Umfragen mit rund 15 Prozent der Stimmen die ultranationalistische Partei "Großrumänien". Die mitte-rechts gerichtete Demokratische Konvention 2000, zu der auch die Christlich-Demokratische Bauernpartei gehört - die wichtigste Partei der gegenwärtigen Regierungskoalition - wird Schwierigkeiten haben, jene zehn Prozent zu erreichen, die für Wahlbündnisse notwendig sind, um ins Parlament einzuziehen.
Die aus der Allianz mit den Christdemokraten ausgetretenen Liberalen können hingegen sicher sein, dass sie die für Einzelparteien geltende fünf Prozenthürde überschreiten werden. Das gilt auch für den Demokratischen Verband der Ungarn in Rumänien (UDMR), der auf die Wählerstimmen der ungarischen Minderheit, die etwa sieben Prozent ausmacht, zählen kann.
"Protestwahlen"
Die Wahlen von Sonntag werden sich, ähnlich wie das auch 1996 der Fall war, als "Protestwahlen" erweisen, diesmal aber in die entgegengesetzte Richtung. Vor vier Jahren wählten die Rumänen, unzufrieden nach sechs Jahre neo-kommunistischer Regierung, Iliescu und die PDSR ab. Von der neuen Regierung, gebildet von der mitte-rechts orientierten Demokratischen Konvention, und von Präsident Emil Constantinescu erhoffte man sich eine Beschleunigung der Reformen, die Verbesserung des Lebensstandards und die Bekämpfung der Korruption.
Die Mehrparteienkoalition erwies sich aber als bittere Enttäuschung. Die vier Jahre ihrer Regierung waren durch zwischen- und innerparteiliche Zwistigkeiten und Spaltungen gekennzeichnet, wodurch die politische und wirtschaftliche Entwicklung des Landes praktisch zu einem Stillstand kam. Korruption und Vetternwirtschaft blühten hingegen ungehindert weiter und reichten bis in die höchsten Regierungsetagen. Die versprochenen wirtschaftlichen Reformen wurden nur halbherzig vorangetrieben, sodass die Rumänen zwar die sozialen Auswirkungen des Reformprozesses zu spüren bekamen (die Inflation liegt bei 40 Prozent, die Arbeitslosigkeit bei elf Prozent), aber noch weit davon entfernt sind, den ersehnten Wohlstand auch nur ansatzweise zu genießen.
Rücktrittsankündigung
Als Enttäuschung entpuppte sich auch Präsident Constantinescu. Dem ruhigen, eher schüchtern wirkenden Geologieprofessor mit seiner intellektuellen Ausstrahlung fehlte es an jenen Führungsqualitäten, die von der Masse der Rumänen von ihrem Staatschef erwartet werden. Entnervt kündigte Constantinescu schon Anfang des Sommers seinen Rückzug an. Aus seinem politischen Scheitern machte er kein Hehl. Auf die Schwächen der bisherigen Führung konnten Iliescu und seine Partei bauen. Sie versprachen ihrer Anhängerschaft - die hauptsächlich aus Arbeitern besteht, denen im Falle der Fortsetzung der Reformen der Verlust ihrer Arbeitsplätze droht - eine Verlangsamung des wirtschaftlichen Umbaus einerseits und soziale Maßnahmen andererseits.
In viel schrillerem Ton erklangen die Wahltiraden des rechtsextremen Corneliu Vadim Tudor. Der Vorsitzende der Großrumänien-Partei gehört neben dem amtierenden Ministerpräsidenten Mugur Isarescu und dem ehemaligen Regierungschef Theodor Stolojan zu den drei wichtigsten Gegenkandidaten Iliescus. Tudor, ein ehemaliger Hofdichter von Diktator Nicolae Ceausescu mit weiterhin engen Verbindungen zu Offizieren der ehemaligen kommunistischen Geheimpolizei Securitate, präsentierte sich als autoritärer Führer, Patriot und Verfechter von Recht und Ordnung. Sein Programm ist stark antisemitisch, fremdenfeindlich und vor allem gegen die ungarische Minderheit. Tudor liegt in Umfragen zwischen 13-18 Prozent, Isarescu und Stolojan halten jeweils bei rund 15 Prozent.
Einige Tage vor den Wahlen wurde noch bekannt, dass 38 Kandidaten für ein Parlamentsmandat - sowohl aus den Reihen der Regierungsparteien als auch der Opposition - Mitarbeiter der gefürchteten Securitate gewesen sein sollen. Die Behörde zur Verwaltung der Securitate-Akten wurde daraufhin von einem Berg an Einwendungsschreiben der Betroffenen überflutet. Keiner der 38 belasteten Kandidaten hielt es jedoch für angemessen, sich aus dem Wahlkampf zurückzuziehen.