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Vor Ratifizierung steht Aufklärung der Bürger

Von Georg Friesenbichler

Europaarchiv

Bevor die neue europäische Verfassung ratifiziert wird, gelte es, den Bürgern den Inhalt der Verfassung zu erklären und dafür zu werben, erklärt Bundeskanzler Wolfgang Schüssel in einem Interview mit der "Wiener Zeitung". In Österreich soll die Verfassung spätestens in einem Jahr vom Parlament abgesegnet werden. Schüssel hält es für durchaus möglich, dass sich alle vier Parlamentsparteien einig sein werden.


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Schüssel sieht keinen Grund dafür, dass die Bevölkerung das Papier nicht akzeptieren wird - vorausgesetzt, als nächster Schritt folge die Aufklärung der Bürger. Das sei in allen EU-Staaten notwendig. Auch müssten die eigenen Parlamentarier von den Vorteilen der Verfassung überzeugt werden. "Kein Mensch weiß eigentlich, was alles drin steht", meint Schüssel und nennt u.a. die Grundrechtscharta, Tierschutz, Bürgerrechte und gemeinsame Kriminalitätsbekämpfung. Die zuletzt so umstrittene Frage der Stimmgewichtung sei verglichen mit solchen Fortschritten unbedeutend.

Erst der dritte Schritt seien die Volksbefragungen in einigen EU-Staaten - nach Großbritannien und anderen hatten zuletzt Spanien und Portugal die Abhaltung von Referenden angekündigt. Der Regierungschef wehrt sich gegen Defätismus und vertraut fest darauf, dass sogar Tony Blair genug Überzeugungskraft aufbringt, um auch bei seinen bekannt europa-kritischen Landsleuten einen Stimmungsumschwung zu erreichen. Dadurch, dass einige Staaten schon früher ratifizieren wollen, werde auch in anderen ein "europäisches Bewußtsein" entstehen. Kritik an dem mühsamen Werdungsprozess der Verfassung kann Schüssel nicht verstehen: Im Grunde sei sie sehr schnell, nämlich in nur einem Jahr, entstanden.

"Ein gewisses Mindestmaß an Geduld" fordert der Kanzler auch bei der Suche nach einem neuen Kommissionspräsidenten ein. Es sei nicht zu erwarten, dass die wichtigsten Personalentscheidungen für 450 Millionen Bürger in wenigen Wochen fallen. "Jede nationale Regierungsbildung dauert länger", verweist Schüssel auf die zeitaufwändige Konsensfindung nach der erst kurz zurück liegenden Wahl zum Europa-Parlament.

Optimistisch zeigt sich der Bundeskanzler gleichfalls, was die Beitrittschancen der südosteuropäischen Staaten betrifft. Mit Bulgarien, das er am Mittwoch besucht hatte, sind die Beitrittsverhandlungen abgeschlossen - Schüssel hofft, dass dies bis Jahresende ebenso mit Rumänien gelingen werde.

Kroatien schließlich sei ein anderer Fall, da wurde beim Gipfel erst der Startschuss zu den Verhandlungen gegeben - "was am Anfang nicht selbstverständlich war", wie Schüssel hinzufügt. Auf Spekulationen über ein Beitrittsdatum für den südlichen Nachbarn will sich der Kanzler nicht einlassen, erwartet aber, dass es nach Aufnahme der Gespräche im nächsten Jahr "zügig voran" gehen werde.